Da ich aus einer Mischehe hervorgingen bin, stelle ich meine Frage jetzt hier.
Infolge der von Thilo Sarrazin im vergangenen Jahr ausgelösten Integrationsdebatte wird in den Medien des Öfteren Beispiele für eine gelungene Integration von Immigranten, insbesondere welche mit türkischem Migrationshintergrund gezeigt. Unter anderem wird von türkischen Jugendlichen berichtet, die guten Willens sind sich zu integrieren, die die deutsche Schriftsprache beherrschen und in der Schule gute Leistungen vollbringen. Die zahlreichen Berichte über die Integrationssituation von Immigranten legen die Schlussfolgerung nahe, dass der schulische Erfolg bei Jugendlichen mit Immigrationshintergrund als der wichtigste Gradmesser für eine erfolgreiche Integration anzusehen ist.
Hier wird von türkischen Jugendlichen berichtet, bei denen die Integration gelungen ist:
http://www.bild.de/politik/inland/oezkoek-ertugrul/gluecklich-in-deutschland-und-der-tuekei-20709424.bild.html
Wenn ich solche Artikel lese, fällt mir auf, dass immer, wenn türkische Jugendliche als Beispiel für eine erfolgreiche Integration gezeigt werden, sie zumindest die Realschule besuchen. Türkische Schüler, wie jene aus diesem Artikel dürfen sich zu recht als integriert bezeichnen. Ich würde mich auch gerne als integriert bezeichnen dürfen, weiß aber nicht, ob ich das Recht dazu besitze.
Ich bin mütterlicherseits deutscher, väterlicherseits türkischer Abstammung. Meine Nationalität, d.h. meine Staatszugehörigkeit, ist seit jeher deutsch. Meine Muttersprache ist ebenfalls Deutsch. Das türkische Element spielt in meinem Leben weder sprachlich noch kulturell eine nennenswerte Rolle. Die türkische Sprache beherrsche ich leider nicht im Geringsten, und kulturell bin ich völlig deutsch aufgewachsen. Der Islam spielt in meinem Leben keine Rolle (ich war außer in der Türkei als Tourist noch nie in einer Moschee), abgesehen davon, wenn wir mit unserem türkischen Verwandten Ramadan oder andere islamische beziehungsweise türkische Feste feiern. Als Kind bin ich mit deutschen Märchen, wie die Grimms Märchen und mit deutschen Kinderbüchern, wie Struwwelpeter sowie Max und Moritz aufgewachsen, und selbstverständlich esse ich Schweinefleisch und feiere Weinachten. Von der türkischen Kultur habe ich (leider) noch nicht viel erfahren ich hörte vor einem Jahr erstmals türkische Musik [sic!], davor nur westliche Musik und Wiener Klassik. Heimatlich fühle ich mich ausschließlich mit Deutschland verbunden. Die Türkei kenne ich nur aus dem Urlaub. Meine Wertvorstellungen sind europäisch. Archaische Wertvorstelllungen, die häufig konservative, islamische Gesellschaften prägen, sind mir völlig fremd und unverständlich.
In letzter Zeit beschäftigt mich die Frage, ob ich das Recht besitze, mich als integriert bezeichnen zu dürfen. Ich weiß nicht, ob Sarrazin jemand, der eine Förderschule mit Schwerpunkt Lernen (früher Sonderschule) besucht, als integriert anerkennen würde. Oder ist dieser Status den Haupt- und Realschülern sowie Gymnasiasten vorbehalten? Ich hab zwei Schwestern, von denen eine ältere bereits studiert hat und eine andere das Gymnasium besucht. Die dürfen sich meines Erachtens zweifelsohne als integriert bezeichnen.