Hallo Zusammen,
Liebe im Internet ist ja mittlerweile nichts Neues mehr. Ich kenne viele, die ihren Partner übers Internet kennengelernt haben und schon lange Zeit miteinander gehen oder sogar verheiratet sind. Auch ich hab das mal versucht und mich einige Male mit jemandem getroffen, den ich übers Netz kennengelernt habe. Irgendwie hats nie richtig gefunkt. Dann hab ichs aufgegeben und mir geschworen, die Internetbekanntschaften zu lassen. Und wie das nunmal so ist, passiert immer das, was man absolut abblockt:
An einem Freitag im Februar diesen Jahres hatte ich ein letztes Treffen mit meinem derzeitigen Datingpartner vereinbart. Ich hatte ihm schon verdeutlicht, dass ich für ihn nicht mehr als Freundschaft empfinde, aber er wollte unbedingt nochmal etwas unternehmen. Also sagte ich zu. Ich machte mich also etwas zurecht und wartete darauf, dass die Zeit verging. Kurz bevor wir uns dann treffen wollten, kam seine SMS: "Du, muss leider absagen, mir ist was wichtiges dazwischen gekommen." Ob das nun eine Retourkutsche für mich war oder ob ihm wirklich etwas dazwischengekommen war, sei dahingestellt. Ich jedenfalls war für einen Augenblick etwas geknickt, weil ich mir den Abend extra freigenommen hatte und auch schon ausgehfertig war. Also pflanzte ich mich vor den PC, um abzuchecken, ob Freunde bereits unterwegs waren, an die ich mich anschließen könnte. Nichts. Tote Hose, was nun? Ich schaute meinen Laptop an und sah die integrierte Webcam, die ich bisher nicht genutzt hatte und eigentlich auch nie vor hatte zu nutzen. Bis zu diesem Abend, der alles verändern sollte. Wie ein Blitz erinnerte ich mich an eine Internetseite, von der mein Bruder mal erzählt hatte. "Chatroulette", auf der man mit Leuten aus der ganzen Welt Chatten konnte, auch über Video. Ich wollte Spaß und wurde neugierig, Es dauerte nicht lang, da hatte ich mich auch schon auf Chatroulette angemeldet. Ich hatte nur ein Foto hochgeladen, auf dem ich ein Blatt in die Kamera halte, welches ein Fragezeichen zeigte. Nichts sonst war von mir auf diesem Bild sichtbar. Ich chattete mit der ein oder anderen Person, mal nett, mal weniger nett. Teilweise zeigten sich beim durchsuchen auch kuriose Bilder, denen es hier keine näherer Erläuterung bedarf. Ich ließ die automatische Suche weiter durchlaufen, bis sie schließlich bei einem Albaner stehenblieb. Er hatte ein Foto von sich hochgeladen, auf dem er komplett zu sehen war. Er war mit einer knielangen Shorts, Flipflops und einer Cappy bekleidet, den durchtrainierten Oberkörper hatte er frei. Er beugte sich zu einem Golden Retriever und lächelte dabei sympathisch in die Kamera. Beim Anblick dieses Fotos wurde ich neugierig. Auch er ließ die Suche nicht weiterlaufen, sondern begann ein Gespräch. Wir nannten uns die Name, das Alter, woher wir kamen und was wir in unserer Freizeit machten. Wir waren uns sofort sympathisch. Dann bat er mich die ... anzustellen, damit er wüsste, wie ich aussehe. Ich schaltete sie für 2 Sekunden an, mehr nicht. Er war begeistert. Als er dann gehen musste, fragte er, über welchen Weg wir in Kontakt bleiben könnten, falls ich das auch möchte. Natürlich wollte ich und wir tauschten unsere Facebook-Nicks aus. Mein Vorsatz, keine Internetbekanntschaften mehr zu machen, war damit hinüber. Aber ich konnte nicht anders und musste einfach mit ihm in Kontakt bleiben. Irgendwie war das auch so ein Gefühl in mir...
Wir schrieben häufig und "verabredeten" uns täglich auf Facebook. Schnell schrieb er mir, dass er beim Lied "All I want is you" von U2 an mich denken musste und dass er mih vermisse. Ich war so hin und weg und erwiderte es. Weil ich es auch wirklich gefühlt habe. Zweifel hatte ich zu diesem Zeitpunkt keine. Es ging weiter und wir tauschten Handynummern aus, um über Whatsapp zu chatten. Schließlich kam dann auch Skype dazu und wir sahen uns täglich. Oft sagte er mir, wie schön ich sei. Nach etwa 1,5 Monaten wollte er dann ein Foto von meinem Personalausweis sehen. Das kam mir komisch vor, bis dato wurde ich noch nie danach gefragt, also ließ ich es einfach. er fragte auch nie wieder danach.
Wir sendeten uns viele Fotos und er erzählte mir, dass er ein großer Fan von Deutschland sei. Ich sah Fotos, auf denen er schon als Kind Deutschlandtrikots trug. Manchmal kam es mir wirklich so vor, dass er mehr deutsch sei, als ich. Er war zweifellos ein großer Deutschlandfan.
Er wollte, dass ich ihn besuchen komme, ich wollte dass er mich besuchen kommt. Aber auf beiden Seiten fehlte das Geld. Und wohl auch der Mut.
Wie es der Teufel wollte, kamen mit der Zeit meinerseits Zweifel auf. Wollte er mich wirklich? Mich als Mensch? Oder wollte er tatsächlich nur mich als DEUTSCHE? Um einfacher nach Deutschland zu kommen und hier zu leben. Um selbst den deutschen Pass zu bekommen und unabhängig zu sein? Fragen kamen auf. Vielleicht hat er auf Chatroulette gezielt nach einer Deutschen gesucht? Hat er mir so schnell "i miss you" gesagt, weil er so schnell wie möglich eine Beziehung aufbauen wollte, um nach Deutschland zu kommen? Wollte er meinen Personalausweis sehen, um sicherzugehen, dass ich auch Deutsche war? Plötzlich hörte ich überall Stories von Frauen, denen solch ein Schicksal ereilt hat. TV, Radio, Illustrierte- Überall diese Geschihten. Meine Zweifel waren auch für ihn unübersehbar. Er fragte oft, ob alles in Ordnung sei. Und ich schwieg. Weil ich ein Mensch bin, die schwierigkeiten hat, sich zu öffnen. Irgendwann hab ichs ihm dann doch gesagt. Er war zutiefst beleidigt und sehr enttäuscht. Er machte mir Vorwürfe, meine Zweifel so lange innezuhalten. Ich schämte mich. Gleichzeitig war ich aber auch enttäuscht, dass er so wenig Feingefühl besaß und mir nichts als Vorwürfe machte, anstelle meine Zweifel zu nehmen. Wir meldeten uns über eine Woche nicht beieinander. Dafür waren wir beide zu stur. Bis ich ihn dann fragte, ob er mir nie wieder schreiben wollte. Wir entschuldigten und beieinander und bauten Schritt für Schritt unsere Beziehung wieder auf. Aber ganz ehrlich, meine Zweifel waren immernoch da und schlummerten ganz leise irgendwo in meinem Kopf. Sie hinterfragten jede seiner AUssagen, ohne dass ich es wollte. Ich wollte ihm einfach nur vertrauen, aber das war schwerer als gedacht.
Mittlerweile schreiben wir schon ein halbes Jahr. Aus einer abendlichen Notlösung, die Spaß bringen sollte, wurde Ernst. Und vor allem mehr, was ich mir erträumt hatte. Wir wünschen uns jeden Morgen über Whatsapp eine Guten Moregen und jeden Abend eine Gute Nacht, entweder über Whatsapp oder Skype. Ich genieße es, jedoch merkt er, dass ich immernoch Zweifel habe. Das sagt er mir auch. Ich weiss, dass es stimmt, trotzdem verletzt es mich, weil ich es nicht will. Ich will mich fallen lassen, ihm vertrauen. Niemand, außer meine Mutter und meine Schwester wissen von ihm. Ich hab ihn zwar bei Facebook, aber niemand fragt speziell nach ihm, wer es denn ist. Zweifel kommen nicht nur wegen der bereits genannten Sache auf. Selbst wenn er wirklich Gefühle für mich hat, wie sollte eine Beziehung funktionieren? Zwei völlig verschiedene Kulturen treffen aufeinander, Zwei verschiende Religionen! Ich bin gläubige Christin, er ist Moslem. Er ist nicht tiefgläubig, viel mehr glaubt er nur daran, dass es eine höhere Macht gibt. Auch in seiner Familie sidn Christen. Auch meine Familie hätte etwas gegen diese Beziehung. Mein Vater hat große Probleme mit Ausländern, speziell Moslems. Genauso wie meine Großeltern, die mich sogar immer warnen, in meiner Heimatstadt an Ausländer zu geraten. "Anfangs legen sie dir die Welt zu Füßen und sind gut Jung, aber kaum biste mit denen verheiratet, biste deren Eigentum. Und dann is Ende", wie mein opa zu sagen pflegt. All das verunsichert mich noch mehr und führt dazu, dass ich nur noch im Stillen genießen kann. Denn wenn ich ihn Abends auf Skype sehe, genieße ich es. Ich liebe es, wie er lächelt. Am liebsten würde ich dann durch den PC zu ihm springen. Das ist auch das, wodran ich festhalte. Ich weiss dass ich ihn will, weil ich mich in dem Moment, in dem ich ihm "nahe bin" (zumindest optisch), gut fühle. Das kann eigentlich nur richtig sein.
Ich wollte meine Geschichte einfach mal erzählen. Ich kann mit niemandem aus meinem Freundes- oder Familienkreis so richtig darüber reden. Für sie wäre es nur "der Ausländer" und Menschen, die mich kennen, handeln einfach mit zu viel Gefühl. Sie würden mich "beschützen"wollen. Hier erwarte ich Neutralität. Jedoch erwarte ich keine Ratschläge. Wenn jemand etwas zu meiner Geschichte sagen möchte, dann kann er das natürlich gerne tun. Aber ich suche nicht direkt nach Hilfe. Ich weiss, dass ich mich öffnen muss. Ich weiss auch, dass ich 10000 Ratschläge hören könnte, die alle sagen, ich solle ihn abservieren. Und ich würde ihn trotzdem wollen und es mit ihm versuchen. Sollte es ein Fehler sein, dann kann ich wenigstens etwas lernen.
Ich lebe nur einmal.
Peace.
Zuckerwolke