Jetzt bist du gerade nach hause gekommen,
ich habe leise hallo gerufen. zu leise. ich schreibe auch gerade an dich.
Und das möchte ich nicht unterbrechen.
Hier liest du erst einmal etwas über mich:
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C10H8 im mädchenzimmer
mein leben fühlt sich
an wie ein unaufgeräumter
kleiderschrank
in einem unaufgeräumten
mädchenzimmer
kleidungsstücke, die schutz bieten
und nacktheit umhüllen
einer mode entwachsen
einen trend im kopf
motten der verwirrungen
fressen sich durch
baumwolle der wünsche
hat mal jemand etwas Naphthalin (C10H8) für mich?
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Das ist ein tagesauszug nicht von heute, aber von Sonntag, von meinem gemütszustand.
Heute hast du mich sehr in wut gebracht, das war gut und tat gut,
auch bei der therapie war ich sehr wütend, weil ich auch auf den therapeuten wütend war,
der hat sein fett weggekriegt.
Jasmin hat mir auch die geschichte von falk erzählt, die sie dir erzählte. ich habe parallelen zu uns entdeckt. das gespräch mit jasmin über uns ist gut. sie bringt klare fragen ein und ist total neutral, sie mag dich und mag mich, sie kennt verwicklungen in beziehungen. warum hast du thorsten angesprochen, warum willst du dich nicht von ihm trennen, was gibt thorsten dir? ich bin oft sehr ungerecht und aggressiv. du bist standhaft, ich kann viel an dir abarbeiten, du läufst nicht davon, das ist stärke, du stehst und gehst nicht weg, soviel ich auch beiße, das be-rührt mich, be-trifft mich. ich werte zuviel. dein wunsch nach sexualität ist völlig, aber auch völlig in ordnung. es ist dein körper, dein wesen, deine lust, normale, gesunde lust. dein gutes recht, im besten alter. es ist aber nicht meines.
Ich habe das empfinden, ich habe prozesse der lust erlebt, die du noch vor dir hast. ich fühle mich dort reifer, erfahrener. stelle jedoch in frage, ob ich lehrerin sein zu wünsche und du mein schüler. stelle in frage. ich erfahre das leben als lust, das dasein, die begegnung in offenheit zu menschen. das ist lustvoll und soll allen gehören, denn ich gehöre zu allen und alle zu mir, denn alle sind verbunden. das will ich leben, ohne einschränkung, ohne mißgunst, ohne immer aufpassen zu müssen, was ich tue, denn das lebe ich nur einmal , das mag polyamore in mir sein. mich dem augenblick der schöpfung hingeben, ganz und gar, die schöpfung ist dann beziehung, studium, arbeit, theater, begegnungen, lektüre, kino, familie, essen, träumen, trauern, shoppe. intensitäten, alles voller intensitäten, hingabe an den augenblick, an die aufgabe, an die verantwortung.
Ich hatte heute einen sehr starken impuls. sehr stark. ein sabbat-jahr. sabbat frei von männern, frei von dir, ben, lothar, inal, jörn, peter, tiede. keine verabredungen, keine telefonate, kein kino, kein kaffee, keine emails. nur männer aus der familie und in gruppen wie chanten, scharnier etc. aber keine zweier verabredung. Keine! nicht gegen dich, nicht gegen männer, nicht feministisch-abwertend. nur für mich, für meine ordnung in mir, meine werte, meinen frieden. für das sein mit frauen, mit mir, wie im krankenhaus, das habe ich sehr genossen. ich möchte aufräumen, möchte mich kennen. mich mögen, mir ins gesicht schauen können. du bist mir voraus, du hast aufgeräumt, bist klar mit dem, was du mit mir willst, mit frauen willst. ich will meine existenz sichern, arbeiten, studium abschließen. kraft freisetzen. verwicklungen binden kraft. trotzdem zu wissen, du bist da gibst halt, heimat. ich stehe in deinem mittelpunkt. das ist beides: erschreckend und beruhigend zugleich. das drängt mich in die ecke und zur flucht und gibt mir einen raum zum bleibenwollen. das ist verwirrung. es ist eine grundsolide basis. der erotische moment ist sehr selten mit dir, das tut weh, du hast recht. ich fühle das mit dir, das tut dir sehr weh, das ist dein recht, deine trauer, deine wut, dein schmerz, deine verzweiflung. ich habe sorge du fällst, fällst ohne mich, tief, tust dir weh. tut es mir weh, verletzt es mich, fehlt es mir, habe ich angst zu fallen?
ich schäme mich dafür, dass er (der erotische moment) zufliegt in begegnungen mit anderen. er heißt nicht verlieben, er heißt nicht ins bett gehen wollen, er ist eine hommage und freudenbekundung an das leben in freiheit, in liebe in herzensoffenheit. mein herz hat begonnen sich deinem zu verschließen. es ist verwundet worden, hat geweint, gehofft, war geduldig, hat gewartet, weint noch, ist weniger geduldig, wartet aber immer noch. kann vielleicht sich wieder öffnen, vertrauen, kann aber auch mißtrauisch und verschlossen bleiben. es will dich nicht binden. ich möchte dich in liebe loslassen, frei lassen. ich binde deine kraft, du zermürbst dich, fokussierst auf mich, möchtest mir vielleicht etwas beweisen, analysierst mich, durchschaust mich, provozierst mich. vielleicht gewinnen wir uns zurück. muss man es wollen oder kann es nur passieren in seiner zeit und seinem tempo. da ist meine frage nach unseren seelen. ihrer aufgabe gemeinsam, ihrem potential, ihrem weg, kannten sie sich schon früher, was wollen sie sich beibringen.
Ich habe in dir auch ein stück familie vor ort gefunden. habe angst dieses stück heimat zu verlieren. sehe bei mir nicht die bereitschaft zur sexualtherapie mit dir zu gehen, sehe dich kämpfen um die beziehung, reflektieren, arbeiten, du wächst, liebst, setzt dich ein, übernimmst verantwortung. das ist groß, das ist erwachsen. fehler passieren trotzdem, das ist menschsein, entgleisen, verhaftet sein, überfordert sein, gefangen in bedürfnissen, das ist menschsein. ich sehe mich scheinbar weglaufen, suche schutz, suche ruheraum, suche sammlung, suche kraft. ist das verantwortungslos, ist das egoistisch, ist das pathologisch? du bietest regeln an, räume, verabredungen. ich will sie nicht, bin stur. jetzt will ich schlafen, mein kagen knurrt, verdammt, keine lust jetzt zu essen.