Ich sitze hier, will deinen Brief beantworten und weiß nicht wie ich dich ansprechen soll. hallo Papa wäre nicht angebracht.
Was könnte ich nur für eine Anrede benutzen.
Wie oft ich schon da saß, anfing einen Brief an dich zu schreiben weiß ich nicht, doch dieses mal ist sicher , ich werde ihn zu Ende schreiben.
Über den Inhalt deines Briefes war ich sehr entäuscht. Es ist so als wolltes du mir sagen : Ich
kann`s nicht mehr ändern, ich hab mich entschuldigt, nun sollte doch alles wieder in Ordnung kommen.
Weißt du wirklich was du getan hast nur weil du ein Buch über sexuellen Mißbrauch gelesen hast?
Soll ein Buch dich von deiner Neigung zu kleinen Kindern geheilt haben?
Genau so wenig wie ich weiß wie ich dich ansprechen soll, genau so wenig weiß ich was ich für dich empfinden soll.
LIEBE, WUT, HASS, VERACHTUNG?
Vielleicht sogar Mitleid?
Ständig war ich hin und her gerissen zwischen Liebe, Wut , Verachtung. Führte diesen inneren Kampf in mir, wollte nicht glauben, nicht begreifen, dass das alles geschehen ist.
Noch heute spühre ich den Schmerz, die Angst und Hilflosigkeit.
Diese Angst die mich lähmte wenn du abends in mein Zimmer kamst. Diese Hilflosigkeit als du mich berührt hast wenn dir danach zumute war.
Noch immer spühre ich diesen Ekel, diese Scham die ich empfand als du mir deinen ( ich schäme mich sogar es aufzuschreiben)in die Hand legtest um mich aufklären zu wollen.
Mit jeder Faser meines Körpers habe ich dich dafür gehasst.Wußte ich doch tief in mir hier läuft etwas, das nicht zur Vater- Tochter Beziehung gehört.
Was hast du dabei nur empfunden?
Was hat dich nur zu dieser Tat getrieben?
Was ich empfunden habe?
ANGST, WUT, HILFLOSIGKEIT.
Vor Angst hab ich mir jede Nacht in die Hose gemacht. Ich habe innerlich um Hlfe geschriehen, wäre am liebsten gestorben. Wollte dich von mir stoßen, dir ins Gesicht spucken.
Konnte lange nicht verstehen warum ich geschwiegen habe. Mich immer wieder gefragt: Hab ich mich genug gewehrt? Hab ich es herausgefordert? Ich wollte doch tatsächlich die Schuld auf mich nehmen.
Doch heute weiß ich, ich konnte nicht anders handeln und fühlen. Ich konte nicht zuordnen was da geschah, es nicht beim Namen nennen. Du warst der Erwachsene und es lag in deiner Verantwortung Grenzen zu setzten und dich selbst zu kontrolieren. Es war deine Aufgabe mich vor dir zu beschützen.
Ich schäme mich für das was du mir angetan hast und ich schäme mich solch einen Vater zu haben.
Du hast dich entschuldigt und ich glaube dir sogar das dir alles leid tut, aber mehr kannst du nicht für mich tun. Ich habe das Vertrauen zu dir verloren. Meinen Sohn werde ich dir nicht ausliefern.
Ich kann besser damit leben mein Kind von seinem Opa fern zu halten , als damit, ihn bewusst dem Mann zu überlassen, der mich Mißbraucht hat.Du tust mir fast noch leid wenn ich das so schreibe.
Du hast nicht nur mir den Vater, sondern meinem Kind auch den Opa genommen. Dir selbst hast du so vieles genommen
Wie sehr habe ich dich geliebt, dir vertraut. Wie tief der Schmerz das diese Liebe mit Füßen getreten wurde.
Wie groß manchmal die Sehnsucht nach zu Hause, nach dem Vater aus guten Tagen.
Der Mißbrauch hat mich sehr geprägt, er wird mich eine Leben lang begleiten.
Jetzt bin ich dabei mein Leben neu zu ordnen, lernen mit dem Mißbrauch umzugehen. Welche Rolle du in Zukunft in meinem Leben spielen wirst weiß ich nicht. Für jetzt habe ich entschieden, es ist keine Platz für dich.