Ich liebe es, andere Menschen kennen zu lernen. Ich liebe es, zu erfahren, wie Gesprächsthemen immer tiefer gehen, bis es scheint, als würden sich die Seelen berühren. Das kann im gemeinsamen herzlichen Lachen enden, oder auch in einem warmen Gefühl, das sich im ganzen Körper ausbreitet wie ein wohltuendes Bad. Der Wechsel zwischen „Fremdheit“ und „Gemeinschaft“, der sich innerhalb von ein paar Stunden, schneller als man denkt, vollzieht, hat ebenfalls etwas Magisches an sich.
Und immer wieder gibt es dann Menschen, mit denen ich mich besonders gut verstehe. Wo einfach die „Chemie“ passt, auch wenn das eine abgedroschene Phrase ist. Besser formuliert: Wo zehn Minuten Beisammensein genügen, um mich euphorisch durch die nächsten Tage schweben zu lassen, immer wieder gerne an das Gespräch zurückdenkend.
Nun, wenn diese Menschen dann auch noch zufällig männlich sind und ich noch dazu das Gefühl bekomme, dass mir von ihnen Wertschätzung und Aufmerksamkeit entgegengebracht wird, kommt eine ganz neue Komponente hinzu – die Spannung.
Es genügen kleine Zeichen, um mich in diese Richtung aufhorchen zu lassen. Warum verweilt er denn beim Erzählen bei jeder anderen Person mit seinen Augen nur ein paar Sekunden, während er sonst unentwegt in meine Augen blickt, obwohl er mit allen in der Runde spricht?
Warum macht er sich besondere Mühe für ein Geschenk, wo andere nur eine Kleinigkeit mitbringen?
Warum nimmt er einen Umweg in Kauf, um mich zu sehen?
Warum fängt er nach einer normalen Umarmung zu stottern und zu grinsen an und die ersten drei, vier Sätze scheinen ihm nicht so recht zu gelingen?
Warum mache ich mir Gedanken darüber, ob etwas sein könnte, wenn es eh nur reine Interpretation ist?
Und hier beginnt dann für mich eine Mischung aus Neugierde, Spannung und einem Gefühl, das an Verliebtheit erinnert. Ich genieße das Zusammensein mit diesem Menschen, die Gespräche zu verschiedenen Themen, das Lachen und die Herzlichkeit und frage mich regelmäßig, was, wenn ich nun zu flirten beginnen würde? Wo liegt denn die Grenze? Liegt sie bei dem, was man macht, oder bei dem, was man dabei fühlt?
Erst kürzlich saß ich am Schoß eines Freundes, ganz ohne Bedenken. Er ist ein guter Freund, sorgt für tolle Unterhaltung. Die Zeit mit ihm ist kostbar. Aber es fehlt bei ihm die Komponente der „Spannung“, die ich oben beschrieben habe. Dementsprechend konnte ich ganz entspannt bleiben und sah es nicht als „flirten“ an.
Im Gegensatz dazu muss ich nur im Geiste daran denken, bei einem der Männer, die in mir das Gefühl mit der rosaroten Brille auslösen, auf dem Schoß zu sitzen, und mir wird heiß. Im real life würde ich genau die gleiche Aktion also einmal als „freundschaftlich“ und einmal als „flirten“ interpretieren.
So, schön langsam kommen wir meinem Dilemma näher. Ich würde nämlich gerne flirten. Ich würde nämlich sehr gerne auf dem Schoß eines solchen Mannes sitzen, wo mir bei der bloßen Vorstellung schon ganz hibbelig im Magen wird. Ich würde ihnen gerne zeigen, was ich empfinde. Ich würde ihnen gerne näherkommen.
Aber ich darf nicht. Ich kann gar nicht, ohne schlechtes Gewissen. Warum? Ich lebe seit 10 Jahren in einer Beziehung mit einem Mann, den ich liebe. Und mit zwei Kindern, die ich ebenso liebe. Mit diesen Menschen möchte ich alt werden und meinen Alltag verbringen. Ich kann wochenlang, monatelang absolut zufrieden mit uns als Familie sein. Mich an uns als Paar erfreuen. Und dann, wie ein „switch“, wahrscheinlich wenn die Alltagsroutine wieder zu viel Raum eingenommen hat, sehne ich mich wieder nach der oben beschriebenen Spannung. Nach einem kleinen Erlebnis, nach einem Ausbruch aus dem Alltag. Häufig auch in meiner ersten Zyklushälfte – ob das auch hormonell bedingt ist?
Ich schäme mich auf der einen Seite dafür, so zu denken. Mein Freund meint, ihm wären solche Gedanken fremd. Er will nur mich. Und ich würde mir wünschen, ganz genau das Gleiche zu empfinden.
Auf der anderen Seite… es gibt so viele tolle Menschen auf der Welt… und ich bin 25 Jahre alt. Soll ich bis an mein Lebensende jeden, der mir näherkommen möchte, abblocken? Darf ich jemals wieder das Gefühl zulassen, auf Wolke 7 schweben, wie zu Zeiten der Verliebtheit, die nun auch schon 8 Jahre her ist?
Bin ich unnormal, weil ich beides will – meine Familie mit Mann und Kindern UND eine schöne, spannende Zeit mit dem anderen Geschlecht?
Wie kann ich lernen, mit diesem Gefühl zu leben?
Was noch wichtig zu wissen ist: Nein, es geht überhaupt nicht um einen speziellen anderen Mann. Im Gegenteil, wenn ich sie eine Zeit lang nicht sehe, verebben die Gefühle der rosaroten Brille ebenso schnell wieder. Da muss ich mich dann schon mächtig konzentrieren, mit ganz viel Kopfkino, ums sie wieder zu erwecken. Ich schreibe hier ganz allgemein, dass ich diese Spannung beim Flirten so genieße scheint von je her ein normaler Bestandteil meiner Gefühlswelt zu sein.
Und – nein, sexuell frustriert bin ich nicht. Im Gegenteil – wenn ich an die anderen denke, dann nie an Sex. Das höchste der Gefühle, dass ich mir einen kleinen Kuss mit ihnen vorstelle. Es geht wirklich nur ums Kennenlernen, vor allem um Gespräche… ich bin schon seltsam, nicht?
Danke schon einmal sehr fürs Lesen und noch mehr würde mich eure Meinung dazu interessieren!