Vor einigen Wochen habe ich mich von meinem Freund getrennt. Die letzten vier Jahre waren wir in einer Fernbeziehung. Wir haben uns selten gesehen, in den letzten drei Jahren nur einmal für zwei Monate im Frühjahr dieses Jahr. Trotzdem hat mir diese Beziehung mehr als alles andere im Leben bedeutet. Wir telefonierten täglich und verbrachten unsere Wochenenden mit stundenlangen Telefonaten. Wir redeten viel über unseren Alltag. Jede Erfahrung, ob gut oder schlecht, tauschten wir ins unseren abendlichen Gesprächen aus. Wir haben auch oft von unserer gemeinsamen Zukunft gesprochen, wo wir uns niederlassen wollten, wir haben gemeinsam davon geträumt jeden Abend zusammen schlafen zu gehen. Natürlich haben wir uns vermisst in den Jahren der physischen Trennung, aber ich wusste immer, dass mir kein Mann, auch wenn er noch so nah ist, dieselbe Erfüllung schenken kann die ich aus unseren Gesprächen erfahren habe. Wir waren bereit, zu Gunsten unserer gemeinsamen Zukunft über mehrere Jahre auf alle Vorteile einer normalen Beziehung zu verzichten. Ich hatte bis dahin noch nie erlebt, wie stark Liebe sein kann und dieses Gefühl hat mich überwältigt.
Unser Wiedersehen und die verbrachten Tage waren irrsinnig schön. Wenn es je einen Zweifel daran gab dass er der Richtige für mich ist, dann waren diese jetzt behoben. Selbst meine kritische Familie hat ihn ins Herz geschlossen und liebevoll aufgenommen. Meine schönste Erinnerung an diese Zeit ist gleichzeitig eine traurige. Ich musste zu einer kleinen Not-OP ins Krankenhaus und mein liebster Schatz saß Tag und Nacht an meinem Krankenbett und wachte über mich. Jedes mal wenn ich aus dem Nebel der Schmerzmittel aufgewacht bin war er da und erschien mir wie ein Geschenk Gottes, wie ein Engel an meiner Seite. Wir entschlossen uns dazu der Fernbeziehung ein Ende zu setzen und endlich zusammen zu ziehen. Er beantragt für mich ein Visum und ich beschäftigte mich mit Stellensuche.
Aber jetzt möchte ich euch nicht von den schönen Dingen unserer Beziehung erzählen, sondern den Teil der Geschichte der mich zu der Trennung von meiner großen Liebe bewogen hat. Ich habe lernen müssen, dass mein Freund neben mir eine Ehefrau und einen 6-jährigen Sohn hat. Ich möchte hier nichts schön reden, ich wüsste das nicht, wenn ich nicht selbst einen unverzeihlichen Vertrauensbruch begangen hätte indem ich ihn ausspionierte. Das ist erbärmlich, das bedarf keiner Diskussion und ich bin mir dessen voll bewusst. Nach seiner Abreise bat er mich immer wieder um Aufschub, verschob unsere Zukunft ein ums andere Mal, Wir sollten noch eine Entscheidung abwarten, einem Familienbesuch Vorrang geben, unsere Zukunft nicht zum falschen Zeitpunkt beginnen. Die gutenGründe, die noch vor kurzer Zeit unserem Zusammenleben im Wege standen gab es nicht mehr und ich konnte sein Zögern nicht verstehen. Meine Versuche mit ihm darüber zu sprechen verliefen immer im Leeren, er brachte seine tiefe Enttäuschung über mein mangelndes Vertrauen zum Ausdruck und ging weiter auf meine Fragen nicht ein. Ich habe also angefangen heimlich zu recherchieren. Mehr als meine Telefonrechnung und das Internet waren nicht nötig um hinter die Kulissen zu sehen. Ich brache es aber nicht übers Herz, meine Liebe auf Grund einer Facebook Seite, einem Telefonbucheintrag und einer Verbindungsliste aufzugeben. Ich ging noch einen Schritt weiter und hörte (heimlich) seine Mailbox ab. Die Nachricht, die ich hörte verfolgt mich noch jetzt in meinen Träumen. Auf seiner Mailbox war eine Nachricht von einem Kind gespeichert, der seinem Vater versichert ihn für immer zu hassen, obwohl er ihn auch liebt. Er bettelte seinen Vater darum an, zu Mami zurück zu kommen.
Ich kann es immer noch nicht fassen dass ich einem Kind so unendliches Leid zugefügt habe dass es sogar bereit ist seinem Vater eine solche Nachricht zu hinterlassen. Und welchen Schmerz musste mein Freund bei dieser Nachricht erlitten haben? Ich habe mich also von meinem Freund getrennt. Ich habe ihm meine wahren Beweggründe verschwiegen, habe ihm gesagt ich könne die Distanz nicht länger ertragen und brauchte eine reale Beziehung. Dass meine Liebe wohl doch nicht stark genug sei um die schwierigen Zeiten zu überbrücken. Zumindest zum Teil habe ich das aus einer Art kindischer Rache getan, ich wollte die Auseinandersetzung nicht, ich wollte keine betrogene sein die ihren Freund hysterisch Vorwürfe macht. Vielleicht wollte ich ihn auch ein bisschen verletzen, ihn meinen Schmerz spüren lassen, indem ich ihm vormachte ihn nicht genug zu lieben.
Inzwischen bin ich mir aber nicht mehr sicher, ob diese Entscheidung richtig war. Mich quälen Gedanken wie die Frage, ob ich diese Auseinandersetzung vielleicht gebraucht hätte um die Trennung zu verkraften. Und um ehrlich zu sein vermisse ich ihn wahnsinnig und stelle mir die Frage, ob er im Wissen um die wahren Gründe vielleicht um mich gekämpft hätte, ob er mir Dinge hätte sagen können die meinen Schmerz gelindert hätten. Was mein ihr? Wir haben für morgen Abend ein Gespräch geplant und ich spiele mit dem Gedanken, doch noch reinen Tisch mit ihm zu machen. Bitte helft mir. Ich bin hoffnungslos, orientierungslos und verzweifelt. Und einsam. Ich verstehe meine Gefühle nicht mehr, ich kann es nicht begreifen wie ich jahrelang ahnungslos bleiben konnte. Ich finde mich wieder als eine Frau die jahrelang die Geliebt eines verheirateten Mannes war und ich verstehe nicht wie ich dorthin geraten bin.