Hallo Vinci,
weißt du was mich immer wieder stutzig macht ? Dass Frauen ihren Männer grobes Fehlverhalten vorwerfen und im gleichen Atemzug beteuern, dass sie ihn immer noch lieben.
War bei dir nicht auch die Sache mit dem Rauchen ? Er Nichtraucher - du Raucherin ?
Grundsätzlich gehe ich mit Nathan konform, dass sich jeder das Recht herausnehmen darf, sich anders zu entscheiden.
Menschen reagieren, wenn sie unter Druck geraten, immer auf 2 verschiedene Arten. Einmal mit Angriff und einmal mit Flucht.
Dein Freund hat die letzte Variante gewählt und das wird ihm jetzt wieder vorgehalten. Dass ihr euch sooo aufeinander gefreut habt und du deshalb sehr hohe Ansprüche hegst, ist soweit verständlich. Andererseits kommt dein Freund derart unter Druck, deine Ansprüchen gerecht zu werden.
Was ihr da jetzt miteinander und die Betonung liegt auf MITEINANDER veranstaltet, ist ein perfides (Macht-)Spiel.
Dass ihr bisher noch kein gemeinsames Wochenende verbracht hat, weil andere dabei eine tragende Rolle innehatten, ist Pech, aber vielleicht auch ein Teil dieses *Kasperletheaters*. Allerdings musst du auch bedenken, dass weder ER noch irgendjemand anders seine Vergangenheit derart abschließen kann, dass sie in der Gegenwart bzw. in der Zukunft nicht mehr existent ist.
Ich bin mittlerweile seit einem Jahr von meiner Familie getrennt und dennoch habe ich, trotz der unglaublich großen Entfernung, einen sehr engen Kontakt zu meinem künftigen EX Mann und meinen Kindern, sie sind ein Teil meines Lebens, den ich jetzt nicht verleugnen kann und auch nicht verleugnen will und werde. Wenn mein neuer Partner hiermit ein massives Problem hätte, würde ich an seiner Loyalität zu mir zweifeln.
Dies ist eine Übergangszeit in die kommende Zukunft. Es ist eine Zeit des Loslassen und der Neuorientierung. Man ist zwar *freiwillig* aus dem (goldenen) Käfig geflohen, aber dieser Käfig vermittelte, egal was der Trennungsgrund war, immer Sicherheit. Man kannte diesen Käfig und hat sich damit arrangiert.
Du selber schreibst, dass dein Verstand dir zwar signalisierte, dass es besser wäre, vorerst alleine zu wohnen und die vergangene Beziehung zu verarbeiten, aber du hast dich dennoch darüber hinweggesetzt und wolltest deinem Plan folgen. Ich lese es aber anders... Es war dein Gefühl, dass dir signalisierte, dass es noch viel zu früh sei, aber dein Verstand wollte sich durchsetzen, weil dein Verstand diese Pläne kreirt hat und du eine bestimmte Vorstellung davon hattest, wie sich dein künftiges Leben mit ihm zu gestalten hat. Jetzt bist du verletzt, weil sich deine Vorstellungen nicht realisieren lassen hatten und suchst die Schuld bei ihm.
Du hast, meiner Meinung nach, un-bewusst die ganze Verantwortung auf ihn übertragen, mit dem unausgesprochenen Begleitsatz, er möge/muss DICH glücklich machen.
Nicht er ist an der Misere schuld, sondern du mit deiner zementierten Vorstellung, wie sich EUER Leben küftig gestalten soll.
Da er sich selber womöglich nicht (mehr) sicher ist/war, suchte er vielleicht auch die Kontakte zur Ex und zum Kind und somit flüchtete er vor/aus der Verantwortung, die du ihm auferlegt hast. Da ihm aber sein schlechtes Gewissen dir gegenüber plagte, kam er mit Blumen an und wollte die Scherben bzw. die Beziehung wieder kitten.
Ich für meinen Teil, würde dir raten in dich zugehen und die ganze Sache nochmals revuepassieren zu lassen. Reflektiere das was passiert ist und schaue es mit anderen Augen an.
Glaub mir auch ich kenne das Gefühl von unendlicher Enttäuschung, aber bei näherer und vor allem kritischer Betrachtung kommt man an die Stellen, die diese Enttäuschung hervorgerufen haben.
Eine Enttäuschung hat immer den Vorteil, dass man die Dinge so betrachten kann, wie sie wirklich sind und nicht mehr so, wie man sie gerne gesehen hat.
Du bist auf der ganzen Linie gescheitert und somit hast du eine 2. Chance es *richtig* zu machen.
Jetzt überlege dir, was du von diesem Mann erwartest, was du dazu beitragen willst und kannst. Danach überlege wie du es mit diesem Mann gestalten möchtest. Dann suche mit ihm das Gespräch. Aber ohne irgendwelchen Vorwurf seiner eventuellen Fehlleistungen.
Ein Streit kann nur dann entstehen, wenn einer Agiert und der andere RE-agiert. Schau genau hin, wer von euch beiden was getan hat. Wenn du dahinterkommst, was sich wirklich zwischen euch abspielt, wirst du den *richtigen* Weg erkennen. Denn der Zwischenfall von dem hier die Rede ist, ist nur eine Auswirkung und nicht die Ursache. Man könnte sagen, es ist ein Nebenkriegsschauplatz und die Ursache liegt ganz wo anders.
Grüße
Die Sichtweise