Hallo zusammen!
Ich warne gleich mal vor, das wird sehr lang ;)
Ich bin 26 Jahre alt und habe vor einem halben Jahr meinen Freund (30) kennengelernt. Es ging sehr schnell bei uns, nach einer Woche haben wir uns schon fast täglich gesehen, nach einem Monat waren wir offiziell zusammen, nach drei Monaten bin ich zu ihm gezogen, jetzt sind wir ein halbes Jahr zusammen. Für mich ist das die erste richtige Beziehung, er hatte eine lange (7 Jahre), wurde dann betrogen und war dann drei Jahre Single. Dadurch, dass ich zu ihm gezogen bin, habe ich jetzt einen täglichen Arbeitsweg von einer Stunde einfach. Er hat 2,5 km zur Arbeit. Ich habe ein sehr enges Verhältnis zu meiner Familie, er hat zu seiner Mutter vor 15 Jahren den Kontakt abgebrochen und auch zum Vater besteht nur oberflächlicher Facebook-Kontakt. Ich bin Lehrerin, er arbeitet in einer Spedition, fängt nachts an, aber wir kommen ungefähr zeitgleich nach Hause, ich bringe aber trotzdem mehr Geld "heim". Soweit die "Rahmenbedingungen".
Mittlerweile bin ich drauf und dran, meine Sachen zu packen und wieder auszuziehen, wofür es mehrere Punkte gibt. Ich versuch mal ganz objektiv zu schildern.
Ein Punkt, der mich massiv stört, ist das Gefühl, dass er mich vereinnahmen will. Er toleriert zwar, dass ich meine Familie nach wie vor zweimal pro Woche besuche, wenn er aber schlechte Laune hat, verdreht er die Augen und hält es mir vor. Er akzeptiert zwar mein Hobby, hat aber gefordert, dass ich es von zweimal pro Woche auf einmal reduziere, weil wir sonst "noch weniger gemeinsame Zeit" haben. Generell belächelt er erstmal alles, was von mir kommt - dass ich meine Eltern regelmäßig sehen möchte, mein Hobby, dass ich mit meinen Freunden gern zu Pubquiz-Abenden gehe, weil das "wohl Studierten Spaß macht, normalen Leuten reichts auch, einfach so in ne Bar zu gehen". Wenn ich sage, dass mich das verletzt, weil er mein bisheriges Leben dadurch irgendwie schlecht macht, kontert er, das sei nur Spaß und ich soll nicht so empfindlich sein. Wenn ich ihn dann nicht mehr frage, ob er mitgehen möchte - zu meinen Eltern, meinen Freunden etc. - rudert er plötzlich zurück und wirft mir vor, warum ich ihn nicht frage, mitzugehen.
Geht er doch irgendwohin mit, habe ich immer das Gefühl, es nicht überreizen zu dürfen, weil er im Vorfeld schon gesagt hat, dass ein Abend auf der Couch auch mal so schön wäre. Gehe ich alleine, wirft er mir vor, ich setze meine Prioritäten anders als er, er würde nur zu Aktivitäten zusagen, zu denen ich auch mitgehen kann. Problematisch ist vielleicht auch, dass er mit seinen Leuten während der Arbeit ständig telefonieren kann (und das auch täglich tut), dadurch legt er vielleicht weniger Wert auf persönlichen Kontakt. Ein Hobby hat er zwar auch, hat das seit unserer Beziehung aber stark vernachlässigt. Bin ich also auf Achse, sitzt er daheim, und auch dadurch hab ich das Gefühl, immer auf die Uhr sehen zu müssen, wie lange ich es mir "leisten" kann, wegzubleiben.
Jetzt will er unbedingt in Urlaub fahren und hat zwei Ziele vorgeschlagen, mit denen ich nichts anfangen kann, an denen er aber schon war. Die Ziele, die ich gern sehen würde, schmettert er mit zu teuer ab. Stattdessen hat er mir ein alternatives, einigermaßen ähnlichhes Ziel vorgeschlagen, das aber erst übernächstes Jahr.
Wir haben auch komplett verschiedene Interessen - ich geh gern raus, beweg mich, und wenns nur spazieren gehen ist. Er hat überhaupt nichts gegen einen sonntäglichen Couch-Marathon, das ist für mich aber zu unbefriedigend. Mache ich dann mit Freunden was aus, hält er mir wieder vor, ich wäre gar nicht mehr zu Hause.
Durch seine Vorgeschichte ist er auch ziemlich eifersüchtig bzw. geht davon aus, dass Frauen allgemein sofort die Beine breit machen, wenn ein Mann um die Ecke läuft. Er traut sich zwar nicht, mir irgendwas zu verbieten, streut aber davor regelmäßig Spitzen, dass er es auch nicht ändern könne, wenn ich mit einem anderen was anfangen würde, dann wäre er aber weg. Dabei hat er viel mehr Kontakt zu anderen Frauen und sonnt sich auch in deren Aufmerksamkeit, als das bei mir der Fall ist.
Das Thema Heiraten und Kinder kriegen ist Dauerbrenner bei uns. Anfänglich hat er noch gemeint, er hätte sooo gerne Kinder, mittlerweile sagt er aber immer, dass er nicht glaubt, dass ihm das vergönnt ist. Ich weiß nicht, ob er da dann hören will, "Aber natürlich! Komm, fangen wir an!", oder was das soll, ich hab aber schon das Gefühl, dass er dadurch eine Reaktion von mir erzwingen will.
Was mir auch total gegen den Strich geht, ist dass er mich - meiner Meinung nach - vor Freunden gern so ein bisschen blöd hinstellt. Ein konkretes Beispiel: Wir waren mit Arbeitskollegen von ihm essen, die Männer - also alle, die miteinander arbeiten und sich schon kennen, haben sich unterhalten. Irgendwann ging es darum, wie alle den Tag verbracht haben, er meinte dann: "Also bei uns wurde ja heute gebastelt", und dieses "gebastelt" betont er dann so, als wäre das das Lächerliste der Welt und schaut so beifallheischend in die Runde. Ich fühl mich in solchen Situationen angegriffen - gar nicht mal durch den Satz selbst, sondern durch die Betonung, weil ich das Gefühl hab, er hätte gern Reaktionen à la "Waaaas? Gebastelt? Hahaha!". Also schieße ich zurück, auf den Mund gefallen bin ich nicht und kann schon kontra geben. ABER: Ich mach es aus der Not raus, nicht weil ich so viel Spaß dran hätte. Oder er sagte an dem Abend "Von Filmen hat sie echt keine Ahnung, sie schaut nur so Schweighöfer-Schnulzen-Quatsch" (was noch nicht mal stimmt, nicht mal ansatzweise), wieder in so einem Tonfall, der sich für mich nach Augenverdrehen, irgendwie herablassend anhört. Ich würde so was neutral formulieren und vielleicht sagen "Filmtechnisch haben wir total verschiedene Geschmäcker", durch seinen Satz fühl ich mich wieder angegriffen und zieh seine Filme auch ins Lächerliche - aber ich will das eigentlich nicht! Sprech ich ihn drauf an, meint er, er wolle die Stimmung auflockern, und ihm gefalle das, wenn wir uns einen Schlagabtausch liefern. Sage ich ihm, dass mich das stört und ich mich nicht mit ihm messen will, nur dass andere was zu lachen haben, meint er wieder, ich sei da sehr empfindlich.
Kurz vor dem Zusammenziehen hab ich schon mal kalte Füße gekriegt, ob das nicht alles zu schnell geht, und hätte beinahe, trotz gekündigter Wohnung, einen Rückzieher gemacht. Damals hat er gemeint, entweder zieh ich das jetzt durch, oder er sieht keine realistischen Zukunftschancen für uns, wenn ich mir nochmal was eigenes genommen hätte, hätte er das als Rückschritt empfunden. Ich hab dann als Bedingung gestellt, dass die oben erwähnten zwei fixen Tage mit meinen Eltern quasi Bestandteil unserer Beziehung sein müssen, und er hat zugestimmt - unter der Voraussetzung, dass ich einmal wöchentlich das Hobby streich.
Ich hab irgendwo das Gefühl, für jeden Teil meines alten Lebens, den ich nicht aufgeben möchte, entzieht er mir irgendwas anderes...und ich weiß mangels Erfahrung nicht, wie "normal" das in einer Beziehung ist. Sollte ich nicht kein Problem damit haben, nur ein- statt zweimal zum Hobby zu gehen, weil ich dadurch mehr Zeit mit ihm verbringen könnte? Sollte mir, wenn es denn passt, nicht auch daran gelegen sein, so viel Zeit mit ihm zu verbringen wie möglich, anstatt immer öfter Termine mit Freunden auszumachen, wie ich es schon an mir beobachtet hab?
Ich hab auch das Gefühl, wann immer er einen Kompromiss eingeht, versucht er danach, den doch zu seinen Gunsten hinzubiegen. Ich hab beispielsweise einige Möbel aus meiner Wohnung mitgebracht, was er völlig ok fand. Danach kam dann irgendwann der Spruch, dass ihm der Raum, in dem die jetzt stehen, doch fast zu bunt ist. Die Möbel stehen zwar immer noch, aber irgendwie hab ich jetzt immer das Gefühl, der Raum, dieser alte Teil von mir, ist ihm irgendwo ein Dorn im Auge...
Er fordert auch immer mehr Liebesbekundungen von mir ein...er hat früher und öfter "Ich liebe dich" gesagt, was er mir gelegentlich auch vorwirft. Wenn ich ihn mal nicht mit Kuss begrüße, beschwert er sich. Seit einer Woche will er fast täglich indirekt von mir hören, wie toll doch alles ist, z.B. "Ich finde das so schön, wie das mit uns läuft - und du?". Und in solchen Situationen sag ich dann fast schon reflexhaft "Ich auch". Und krieg gleich danach ein schlechtes Gewissen, weil ich dann am nächsten Tag ja schlecht sagen kann, dass ich massiv Probleme hab. Ich fühl mich oft so unter Druck gesetzt, so in eine Rolle gepresst, die ich erfüllen muss, das macht mich fertig :(
Jetzt gerade hat er wieder sehr gute Laune, und rein objektiv betrachtet gibt es nichts, was ich aussetzen könnte. Aber trotzdem bin ich nicht zufrieden, fühl mich wie ein Schauspieler und freu mich auf Zeiten mit meinen Freunden oder der Familie, weil ich da ganz unverstellt sein kann.
Mich würde jetzt mal interessieren, was Außenstehende dazu meinen. Meine Freunde und Familie stehen natürlich hinter mir und sagen, ich soll mich trennen (zwar nicht immer so direkt, aber doch erkennbar). Ich hyperventiliere und rede mir ein, ich sei beziehungsunfähig und sollte mir mehr Mühe geben, mehr zurückstecken, auch wenns mir gegen den Strich geht - verfahrene Situation :(