Liebe Leser/innen!
Wo die Liebe hinfällt, kann man leider oder Gott sei Dank nicht vorherbestimmen. So passierte es, dass wir uns kennenlernten. Er Moslem, blutjung, ich ganze 13 Jahre älter. Der Altersunterschied war nie ein Problem für ihn oder für die Umwelt. Man hielt uns für relativ gleichalt. Für mich war es immer im Hinterkopf.
Ich arbeite im Ausland und wußte von Anbeginn, wann ich wieder wegziehen muss. Ich habe mit offenen Karten gespielt und ihm gesagt, dass ich nicht bleiben kann und unsere Beziehung keine Zukunft hat, weil zu viele Dinge dagegen sprechen: Religion, Altersunterschied, berufl. Entwicklung und nicht zuletzt starke Unterschiede in den Interessen und Zielen. Noch dazu kommt, dass er polit. Flüchtling ist, hier nur geduldet wird, mir nicht hinterherreisen könnte und alle halbe Jahre zittern muss, wieder zurückgeschickt zu werden.
Er aber war taub auf diesem Ohr und umwarb mich mit allen Mitteln. Er ist ein unglaublich gutaussehender Mann und könnte an jedem Finger eine haben. Aber er wollte mich. Das hat mir natürlich ungemein geschmeichelt und ich habe mich wieder 10 Jahre jünger gefühlt. Für mich war es ein Wechselbad der Gefühle. Wenn sich die Vernunft meldete, sagte ich ihm jedesmal, dass es keinen Zweck hat, wir verrennen uns nur und dann kommen wir nicht mehr voneinander los. Wenn sich mein Herz meldete, schlug ich alle Bedenken in den Wind und dachte ganz egoistisch: Genieß es, wenn du wegziehst, ist sowieso unwiderruflich Schluß.
Ich hatte auch den Gedanken, er sucht eine europäische Frau zum Heiraten, um den dauernden Aufenthaltsgenehmigungen zu entgegen. Darüber hatten wir auch gemeinsam gesprochen, er stritt es natürlich ab. Nun hätte er mich ja auch einfach wieder fallen lassen können, weil ich nicht willig war zu heiraten. Aber wir sind 3 Jahre nicht voneinander losgekommen. Wir haben sämtliche Dinge versucht, um einen Schlußstrich zu machen: mehrere Male machte ich Schluß, einige Male er, wir versuchten es nach einem wie mir schien, inszenierten Streit, damit es leichter ist, wir versuchten es nach einem längeren Urlaub, wo wir uns nicht sahen, wir versuchten es mit vorgeschobenen neuen Geliebten, wir wechselten die Handy-Nr. und versuchten uns nicht mehr anzurufen. Es nützte leider alles nichts.
Ich habe immer gelacht über die Pärchen, die andauernd Schluß machen, dann aber doch wieder zusammen sind. Jetzt habe ich es zum ersten Mal selbst erlebt. Jeder von uns wusste schon vorher, dass er tierisch darunter leiden wird und doch nicht durchhält. Wir fanden uns meist schon zwei Tage später wieder in den Armen des anderen. Wir waren einfach noch nicht so weit, auseinander zu gehen.
Mit der Zeit wurden wir immer verzweifelter, weil wir merkten, wir kommen da nicht raus. Wir hatten uns zu weit verstrickt und aus einer anfänglichen "gönnen wir uns einfach etwas Spaß"-Beziehung wurde eine echte, tiefe Liebe. Nun rückt die Zeit des Abschiedes immer näher und die Treffen der letzten Monate waren meist sehr bedrückend. Jeder spürt, das Ende naht und jeder weiß, was er verlieren wird. Eigentlich ist es nicht mehr schön. Wir warten nur auf das Ende, damit es endlich vorbei ist. Ich habe noch nie so eine Hilflosigkeit erlebt. Ich hatte schon riesen Panik, wenn der letzte Tag kommt. Ich hasse Abschiede für immer, sie sind wie sterben müssen. Ich stelle mir vor, wie ich im Flieger sitze, auf die Stadt herab blicke, die mein Schicksal war. Ich werde sterben, innerlich... Aber ich weiß genau, dass wir rein gar nicht zusammen passen würden. Trotzdem ist er mir als Mensch nicht egal. Wir waren zwei Ausländer in dieser Stadt. Heimatlose... war das unser Zusammenhalt?
Jetzt haben wir uns schon einen Monat nicht gesehen. Ich hatte Urlaub und war in Deutschland. Ich kam zurück und er wollte mich eigentlich unbedingt sehen. Seit einer Woche ist er aber sehr kühl und vertröstet mich. Er sagt: es fängt nur alles wieder von vorne an, Verlangen, Sehnsucht, Herzschmerz, Trennung. Er könne einfach nicht mehr. Ich kann ihn gut verstehen. Aber für mich bricht wieder mal eine Welt zusammen. Ich heule bis ich fast erbreche, nicht nur zu Hause, auch auf der Straße, im Auto...ich weiß, wir haben nur noch wenige Wochen und die wollte ich noch genießen. Die letzten gemeinsamen unseres Lebens...
Das Warum verstehe ich sehr gut, sein Faß ist voll, es geht nichts mehr. Wir telefonieren noch, aber nur, wenn ich anrufe. Er sagt, er hat sich die Haare total abrasiert. Was das heißt, habe ich verstanden. Es gibt kein Zurück mehr, so wie die vielen Male davor. Er ist reserviert, aber nicht abweisend, sagt: Verzeih mir. Ich denke, er leidet auch. Für ihn scheint es der einfachste Weg, da wir uns ja eh schon einen Monat nicht gesehen haben, übersteht er den Rest auch noch (ist seine Denke).
Für mich ist der einfachste Weg, der Umzug. Danach werde ich weit fort sein, neue Erfahrungen, viel Ablenkung. Er bleibt und muss mit den vielen Erinnerungen fertig werden, wenn er an "unseren" Treffpunkten vorbei fährt. Ich kann ihn verstehen, ihm aber nicht helfen. Ich hätte gerne einen Weg gefunden, der für uns beide einfacher ist. Vielleicht der "Bleiben wir Freunde?"-Weg? Ich bin sehr verzweifelt, möchte ihn bis zum Ende sehen, ihm aber nicht auf den Wecker gehen. Er versucht sicher genauso verzweifelt durchzuhalten, um sein Vorhaben, mich nicht mehr zu sehen, nicht umzuwerfen.
Wie kann ich die letzte Zeit noch überleben? Sind es nur die gewohnten Abläufe, die mir fehlen? Sein täglicher Anruf? Werde ich irgendwann froh sein, dass es vorbei ist? Soll ich eine Liste machen mit allen Vor- und Nachteilen dieser Beziehung? (Vorteile: 1; Nachteile: 100) Hat jemand ähnliche Erfahrungen gemacht?
Dieses Gefühl der Endgültigkeit kann ich kaum ertragen. Ablenkung nützt nur wenige Stunden.
Würde mich sehr über ein paar Beiträge freuen.