Liebe LeserInnen,
ich frag mich oft, warum Ehebruch den Betrogenen so schmerzt? Warum man am Tag X des Aufliegens der Affäre des Ehepartners oder Lebenspartners dermaßen in ein seelisches Trudeln geraten kann, dass einem die Welt unter den Füssen wegzieht?
Warum der Betrogene in ein richtig, echtes Trauma fällt?
Für mich war es so, dass nichts mehr selbstverständlich war im Leben, alles was für mich vor dem Tag X so selbstverständlich war, so unanfechtbar in seinem "Sosein" sich als Partnerschaft darbot, war nun zerborsten. Diese Welt ist zusammengebrochen und das der Schritt ins Wahrnehmen einer völlig neuen Weltordnung mit panischer Angst, Wut, Trauer, Hass, Verzweiflung, Selbstzweifel und sogar Lebensmüdigkeit getan werden muss, bedeutet, dass man erstmal so wackelig wie man ist nun laufen lernen muss.
Mir kommt es heute vor, als hätte ich ein völlig neues Terrain betreten, oder besser noch, ein anderes Leben, ein völlig anderes Leben als jemand, der sich nicht mehr auskennt, der auf einem anderen Planeten erwacht ist und nun sich langsam vortastet.
Das Vertrauen war so etwas wie ein Korsett, eine Stütze, ein Zuhause, das einem vor der Unberechenbarkeit des Lebens ein Gefühl des Schutzes gab. Ein Kraftfeld will ich sogar meinen. Sich geborgen fühlen, sicher fühlen, geliebt fühlen erzeugt ein Kraftfeld.
Und weil ich mir so sicher war, dass das alles selbstverständlich sei und vor allem von unabdingbarer Treue abhängt zwischen zwei Eheleuten, die sich lieben, respektieren, die zusammen so vieles auf die Beine gestellt haben, Kinder erfolgreich großgezogen haben, konnte ich nicht bemerken, dass der Andere, der sogenannte Betrüger in dieser heimeligen Welt fast erstickt ist.
Wo ich gedieh, da wurde er nervös. Um aus dieser Welt nicht gänzlich auszubrechen brauchte er einen Ausgleich und das sind zahlreiche Affären. Warum auch immer jemand so gestrickt ist, weis ich nicht. Keine Moral dieser Welt kann solche Leute im Zaum halten, kein Versprechen unter heißestem Liebesschwur, der todernst gemeint war, für den Augenblick.
Nichts kann sie strafen, drohen oder gar verändern.
Verändern vor allem. Wer will die Veränderung? Für wessen Weltverständnis muss einer zurechtgebogen werden?
Wenn es auch früher mal ein gemeinsames Weltverständnis gab, eine gemeinsame Moral, so war sie für den anderen nur solange heilig, solange die Notwendigkeit da war, ist diese mal erledigt regiert der Wankelmut als Luxus und Belohnung für ein straff geführtes Leben, so scheint mir.
Ehepartner und Kinder sind im sicheren Hafen und nun kommt der Genuß, des sich wieder lebendig fühlens, der Ausbruch aus der Selbstverständlichkeit eines routinierten Ehelebens mit allerlei künstlichen "Kunterbuntanstrengungen" um Pepp rein zu würgen, aber das wirkte nur wie eine schöne venezianische Maske.
Mit einem Affärenpartner fliesst alles von selbst, ohne Grund und ohne Kalkül und Berechenbarkeit und Ziel und Logik und vor allem beinernster Verantwortung.
Die Psychologie der Leidenschaft - Amors Flammenpfeil - wens getroffen hat, der kann sich diesem Rausch nicht mehr entziehen, der hat auf seine Weise auch eine andere Welt betreten.
Der eine wartet oder wenn er kann betet, dass diese Beklemmung der Seele mal ein Ende hat und der andere biegt sich ein neues Weltverständnis zurecht oder hat es sogar.
Was ist die Welt? Wie ist sie?
Muss man das Wahrnehmen der Welt von der Liebe eines Menschen abhängig machen, der in seiner Natur wankelmütig ist? Und sind das nicht irgendwie fast alle Menschen? Bis auf Jesus vielleicht oder andere Erleuchtete, was weis ich. Ich frag mich ob ein Jesus als Ehepartner überhaupt erträglich gewesen wäre, auf Dauer?
Seit dem Tag X frag ich überhaupt nur noch.
Hat das alles einen höheren Sinn, soll man daran wachsen über sich selbst hinaus? Verzeihen lernen? Demut erlernen? Andere Prioritäten im Leben setzten?
Diese neue Welt, in der ich erwacht bin, kenne ich kaum, ihre neuen Regeln oder gar Regellosigkeiten. Ich taste mich vor, Tag für Tag, versuche diese ewige Beklemmung der Seele loszuwerden, die kein Therapeut, kein Wellnessurlaub nehmen kann und auch keine Trennung.
Ich komme mir vor wie ein Schiff, dass eins vor dem Bug bekommen hat und nun ist da ein klaftertiefes Loch. Es dringt immer wieder Wasser ein, auf meiner Fahrt durchs Leben und ich muss ständig eimern, raus, raus mit dem Zeugs! Sonst sauf ich ab.
Ich hab gelernt mit diesen Eimern zu leben, das ja. Ich kann das Wasser rausschaufeln, bevor es mir bis zum Halse steht, bevor das ganze Schiff absäuft.
An manchen Tagen ists nicht mehr so viel Wasser, an manchen nur eine Pfütze, es gab schon einige sehr wenige, wo kein Wasser eindrang, weil ich gelernt hab besser zu segeln, mein Lebensschiff besser zu steuern durch die neuen Gewässer. Ich kann immer besser Schlechtwetterfronten umsegeln und meiden, immer besser, aber nicht immer.
Als das Schiff noch kein Loch im Bug hatte war alles so einfach und vor allem weil zwei am Steuer waren oder eine die Segel im Auge hatte und einer das Steuer, aber nun komm ich mir vor, als sei der eine über Bord gegangen und ich muss alleine weiter, bis ans Lebensende, bis ich wo angekommen bin, wo weis ich nicht, aber so ein Loch im Bug und der Verlust des Steuermans ist Ehebruch.
Galaxy