Ein Plädoyer fürs Glücklichsein...
Hallo Sunrisy,
von den bisherigen Beiträgen ist bei mir hängen geblieben: Du MUSST, Du DARFST NICHT, sei vernünftig, mach das Richtige, setz nichts auf Spiel, wenn Du jemanden liebst, kann es keinen anderen geben ... Tolle Tipps! Wenn Du Dich an diese Ratschläge hälst, kann ich Dir eins garantieren: Du wirst Dich ewig fragen, was Du verpasst hast ud Du wirst eins mit Sicherheit nicht: GLÜCKLICH.
Im Gegensatz zu meinen Vorschreibern/innern habe ich vollstes Verständnis für - um deren Worte zu benutzen - Deinen "Ego-Trip". Auch ich liebe meinen Mann unendlich, aber mich selbst liebe ich einfach mehr. Und - auch wenn ich unsere Beziehung und Liebe in keiner Weise in Frage stelle, sie nicht beenden oder gefährden möchte - ich treffe mich dennoch seit einigen Monaten mit einem andern Mann. Und es tut mir - und meiner Beziehung - ausgesprochen gut! Tatsächlich ist meine Beziehung seit es den anderen gibt wieder viel intensiver geworden. Ich bin viel ausgeglichener, fühle mich wieder rund um wohl und habe nicht mehr das Gefühl, dass irgendetwas fehlt, ich gebe mir - ja, vielleicht wegen des latent schlechten Gewissens - mehr Mühe mit ihm, bin sensibler für seine Probleme, auch gelassener und kompromissbereiter ihm gegenüber. Ich bin einfach nicht mehr so fixiert darauf, dass er all meine Vorstellungen, Phantasien und Maßstäbe erfüllen müsste, um mein Mann fürs Leben zu sein und zu bleiben. Aber deshalb liebe ich ihn keinen Deut weniger, als ich es in den fast sechs "treuen" Jahren getan habe, eher sogar mehr: Vor dem Hintergrund des Neuen, Spannenden, Kribbelnden, Unbeschwerten strahlt das Vertraute, Gelassene, Unaufgeregte, Behagliche, Pragmatische um so mehr - ich weiss es wieder zu schätzen. Bisher weiss mein Mann nichts von meinem Liebhaber, aber unsere Beziehung ist eigentlich von einer Ehrlichkeit gezeichnet, dass ich mir hin und wieder überlege, es ihm zu sagen - auch wenn es sicher zunächst problematisch werden und so einiges an Aufarbeitung bedürfen würde.
Den anderen Mann liebe ich nicht - er ist im Prinzip austauschbar für mich, wie ich für ihn. Ich empfinde Sympathie und Begehren für ihn, es kribbelt! Ich bin vor unseren Verabredungen aufgeregt wie damals mit 14 vor einem Date. Ich freue mich über jede Mail, SMS und jedes Telefonat. Ich genieße die Tage oder Stunden vor unseren Treffen, plane mein Alibi akribisch, um möglichst viel Freiraum für Spontaneität zu haben, was das Kribbeln und die Aufregung noch verstärkt. Ich genieße das Herantasten, das den anderen Kennenlernen, Gespräche, bei denen ich nicht weiss, was der andere sagen wird, das Neue, das Erkennen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden... Besonders genieße ich die Unbeschwertheit dieses Verhältnisses: Er weiss von meiner Beziehung, ist selbst liiert, und es geht uns beiden weder um Liebe noch um Beziehung - wenn wir uns treffen ist es ein wundervoll zielloses Treiben (was für ein Wortspiel!), ohne Frage nach dem Morgen, der Zukunft, ungetrübt vom Alltag, den Sorgen, den Pflichten. Wir können uns beide einfach gehen lassen, unsere tiefsten (auch nicht-sexuellen) Geheimnisse austauschen, unsere verborgensten Leidenschaften ausleben, uns - für ein paar Stunden - in emotionalen Ausnahmezustand begeben, ohne komplett aufeinander fixiert zu sein. Es ist wie ein Traum, oder ein Theaterstück - am Ende wacht man auf oder geht nach hause und erinnert sich an das Geschehene, ohne dass es tiefgriefende Konsequenzen für das wahre Leben hätte. Und ich genieße die Heimlichtuerei - ein Grund, der dagegen spricht, es meinem Mann zu sagen - denn sie gibt mir das Gefühl, ein freier Mensch zu sein; mich bewusst über Zwänge hinwegsetzen zu können; alles bekommen zu können, was ich will; mein Glück selbst in den Händen zu halten...
Ego-Trip? JA! Spiel mit dem Feuer? JA! Unfair? Vielleicht!? Ein Kollege und Freund von mir - seit über 30 Jahren mit der gleichen Frau GLÜCKLICH! verheiratet, aber seit gut 25 Jahren regelmäßig Affären mit anderen, von denen sie wohl auch weiss (und vielleicht auch selbst welche hat) - sagte mal: Es ist alles o.K., so lange man dem Partner nichts wegnimmt. Und ich persönlich habe das Gefühl, dass ich meinem Mann jetzt noch viel mehr geben kann als vorher. Denn ich bin mit dieser Situation glücklich - und mein Glück strahlt auf meine Umgebung ab...
Ich will nicht wegdiskutieren, dass eine solche Situation nicht immer so "einfach" sind, wie es meine momentan ist. Ich kann auch nicht absehen, ob ich mich irgendwann unglaublich in den anderen verliebe oder er sich in mich, ob mein Mann nicht vielleicht doch zu tiefst gekränkt wäre und mich verließe, oder ob nicht vielleicht irgendwann das Gefühl des Glücks der Frustration weicht... Aber die ganzen erhobenen Zeigefinger haben sich in diesem Thread schon bemerkbar gemacht und ich wollte einfach mal eine etwas weniger kleinkarrierte Sicht der Dinge präsentieren.
Manchmal habe ich nämlich das Gefühl, dass insbesondere Frauen sich so sehr in dem "Du musst", "Du darfst nicht", "es ist nicht richtig" verheddern, dass sie am Ende selbst die Betrogenen sind und sich dann gleich doppelt als Opfer fühlen: Zum einen, weil ein Mann sie betrogen hat (oder sie auch nur "um ihre besten Jahre" betrogen hat), zum anderen - und das ist vielleicht noch viel schlimmer - weil sie selbst etwas gewollt hätten, was sie aus übertriebener Loyalität oder fanatischem Bedürfnis, alles richtig machen zu müssen, nicht getan hat (und diesen Absatz meine ich nicht nur in Hinblick auf sexuelle Eskapaden).
Aber es soll ja auch Menschen geben, die nur in der Opferrolle glücklich sind, also will ich mal nicht so harsch sein. Ich für meinen Teil bin dann - wenn ich schon wählen muss - doch lieber Täter. Es macht mich einfach glücklicher. Und ich bevorzuge es eindeutig, die Konsequenzen für meine Taten zu tragen, als die Konsequenzen meiner Untätigkeit. Aber das muss jeder für sich selbst klären.
Lange Rede kurzer Sinn: Denk nach, überlegs Dir gut und tue das, wovon Du Dir am meisten Glück versprichst. Wenn Du meinst, es täte Dir gut, tu es; wenn Du meinst, es würde Dich belasten, dann lass es sein!
Liebe Grüße und viel Glück!