Hallo, ich bin neu und brauche Rat. Nach 13 Jahren Beziehung und 2 Jahren Ehe ist es nun vorbei. Mein Mann kann und will einen Verlust nicht verarbeiten und nimmt auch keine Hilfe an. Mir wurde klar, dass die Beziehung toxisch ist und wir einander nicht gut tun. Trotz Liebe also der endgültige Schnitt, das haben wir gemeinsam im Gespräch ermittelt.
Seit einem halben Jahr sind wir getrennt, in 2 Wochen kann ich auch endlich die gemeinsame Wohnung verlassen. Bisher habe ich bei Freunden auf der Couch geschlafen. Darunter auch ein guter Freund von mir, den ich zwar erst seit einem Jahr kenne, aber von dem ich dachte wir seien wirklich Buddies. Er hat selber viel durchgemacht, sodass er nicht beziehungsfähig zu sein glaubte aber auch rein physisch/psychisch gar nicht in der Lage ist mit einer Frau zu schlafen, da er da innere Blockaden hat. Ich dachte er kann meinem Mann keine Gefahr werden, auch da ich meinen Mann für viel hübscher und reifer gehalten habe. Ich bin 27, mein Mann 30, mein Kumpel grade mal 23.
Anders als mit meinem Mann, oder Ex kann man ja besser sagen, verbinden uns viele Gemeinsakeiten was Werte, Lebensentwürfe und vor allem den Umgang mit Geld betrifft, was immer wieder ein Problem mit meinem Ex war. Er hat viel verdient, dachte aber ich sei deswegen 13 Jahre bei ihm geblieben. Dieser Freund hingegen weiß dass ich gerne getrennte Rechnung mache, wenn er allerdings Pizza bestellen will und ich das nicht zahlen kann, spendiert er mir meine Portion. Er gibt mir immer meinen Freiraum, respektiert mich wirklich sehr und freut sich mich als Freundin zu haben.
Nun hab ich also einen ganzen Monat bei ihm verbracht, auch weil ich mir bei anderen Freunden, die Mitbewohner haben, aber auch bei meiner Familie eher wie ein Störfaktor vorkam. Er hingegen hat die Zeit mit mir genossen obwohl wir uns bei all der Arbeit kaum gesehen haben außer zum Essen.
Was übrigens neu für mich war. Gemeinsame Mahlzeiten kenne ich weder von zuhause noch von meinem Ex. Als ich einmal weinen musste, hat er mich in den Arm genommen und das war der erste Körperkontakt zu einem anderen Mann, den ich seit über einem Jahr hatte.
Mein Ex hatte schon viel früher entschieden unsere Ehe aufzugeben und sich in den 2 Jahren Ehe nicht einmal freiwillig ins gemeinsame Bett zum Schlafen gelegt, stattdessen immer in seinem Zimmer auf der Couch geschlafen. Mir hatte er gesagt es sei wegen den Rückenschmerzen, trotz all dem Geld wollte er aber auch keine neue Matratze kaufen. Ich habe regelmäßig versucht mit ihm darüber zu reden, bewirkt hatte es aber immer nur eine temporäre Änderung. Ich habe ihm versucht Zeit zu geben da ich glaubte es liege am Verlust.
Ich habe bei der Scheidung neben diversen belastenden Erkenntnissen herausgefunden, dass er weitaus mehr Geld verdiente als ich dachte. Obwohl er durch die Ehe Steuern spart, betrug mein Essensgeld (also alles was mir zustand) nur 200 Euro. Zusammen gekocht hatten wir auch nicht da er mit seinen Kollegen immer essen gegangen ist.
Ich muss wohl nicht erklären, dass es auch ansonsten Probleme gab und eben keinen Sex.
Mein Freund und ich umarmen uns also und ich habe das starke Bedürfnis fest gehalten zu werden. Wir schliefen Arm in Arm ein und freuten uns wahnsinnig über die Nähe. Am nächsten Tag haben wir ganz normal unsere Dinge erledigt aber am Abend wollten wir es dann wissen: Ist da irgendwas? Wieso möchten wir wieder kuscheln? Liegt es am reinen körperlichen Bedürfnis? Weil wir beide eine schwere Zeit durchmachen? Oder doch daran, dass wir uns mögen?
Wir mochten uns. Wir waren uns beide darüber bewusst, dass es keine körperliche Sache ist, da wir dort vorerst ohnehin nichts tun können. Nicht bevor ich nicht auf dem Papier geschieden bin und er müsste zurück in Therapie um überhaupt Nähe zuzulassen. Trotzdem wissen wir beide, dass wir einfach klasse wären als Partner. Wir können uns einfach gut motivieren das beste aus uns rauszuholen.
Und jetzt haben wir den Salat. Er ist nicht nur jünger, er wohnt auch in einem anderen Land, weiß noch nicht wo es in Zukunft hingehen wird.
Zudem bin ich ziemlich eingeschüchtert. Seine Exfreundinnen waren aufstrebende Models, er hat an den beiden besten Universitäten von Europa einen Double Degree in Regelstudienzeit absolviert, während ich immer noch am Master sitze (wegen Depressionen hatte ich ganze 3 Jahre verloren bin aber wieder am Ball). Seine Familie ist katholisch, ich geschieden. Und vor allem: Sie sind reicher als ich dachte. Da er ein Stipendium hatte und meinen Lebensstandard weitesgehend teilte, dachte ich er sei eben aus gutem Hause. Wenn wir uns gesehen haben, dann haben wir Kidneybohnen oder Haferflocken gegessen. Wir haben nie etwas unternommen was Geld gekostet hat. Er weiß ich hatte manchmal kein Geld mir das doofe Busticket für 7 Euro zu holen um ihn zu besuchen. Und jetzt offenbart er mir wie gut betucht seine Familie wirklich ist. Dass ich das erste Mädchen bin, das er mit nach Hause bringt (ich sehe mich eigentlich eher als Frau aber gut), ist eine riesen Sache. Seine Familie ist gespannt wie ein Flitzebogen. Im Dezember bin ich zu seiner Abschlussfeier eingeladen und er sagte: Wir müssen das dann proben. Meine Familie ist viel entspannter als die meisten in diesen Kreisen, aber ich sag mal so, ich kann selber kaum meine wahren Gefühle vor ihnen zeigen, da es sich nicht gehört.
Also: ich noch mitten in der Scheidung und dabei mein neues Leben aufzubauen, Fernbeziehung mit Unsicherheiten, schwieriges Elternhaus (ich stelle mir vor wie seine gute erzogene Mutter meiner auf dem Land lebenden Mama zuhört wie sie was über den neuen esoterik Katalog redet... aber hey er zumindest steht auch auf Tarot und hat schon einen Stein im Brett bei meiner Mama) und natürlich die Sache mit der Sexlosigkeit auf unbestimmte Zeit.
Ich bin grade nicht in der Situation in der man einfach alle Warnschilder umwerfen sollte und sich auf ein Abenteuer einlassen sollte. Ich brauche innere Stabilität bevor ich wieder soweit bin. Wie unmoralisch wäre es diese neue Liebe weiter laufen zu lassen, ohne feste Zukunftspläne mit ihm zu schmieden? Ist das fair? Er hat bereits gesagt dass er das gut findet ohne Plan. Aber es scheint ihm doch sehr ernst zu sein wenn er jemanden wie mich, die eigentlich keinerlei Ahnung vom Leben der Reichen hat, seiner Familie vorzustellen. Seine beiden Exfreundinnen waren beide reich und er hat sie nicht mit nach Hause geholt :( Wir sind Freunde. Aber wenn ich nein sage dann verliere ich eine aufrichtige Chance für die Liebe und einen guten Freund. Mein Plan ist also erstmal alleine klarzukommen. Er mochte aber zu Besuch kommen. Und ehrlich gesagt kann ich die Ablenkung gut gebrauchen um die Scheidung, die logisch betrachtet wirklich nötig ist, durchzuziehen. Mein Leben war immer sehr gradlinig von mir durchgeplant und nun bin ich mit der größten Unsicherheit meines Lebens konfrontiert. Mut und Verstand hab ich schon mit der Scheidung bewiesen. Ob ich genügend Erfahrung mit der Liebe habe wage ich allerdings zu bezweifeln. Ihr kennt natürlich nicht alle Details und was ich fühle und richtig für mich ist weiß nur ich, aber was würdet ihr tun?