Ich bin seit fast 28 Jahren verheiratet. Meinen Mann hatte ich beim Studium kennengelernt und aus Liebe geheiratet. Im Bett hat es zwar nie so optimal funktioniert, aber das hatte mich lange Zeit nicht weiter gestört. Selbst jetzt kann ich das ausblenden.
Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich einen Mann kennengelernt, mehr als 10 Jahre jünger als ich. Zuerst fand ich ihn nicht besonders anziehend, nett aber weiter auch nichts. Dann hat sich eine tiefe Freundschaft entwickelt, auf der Basis von Vertrauen. Je mehr ich von seinem Inneren erfahren habe, desto mehr habe ich mich in ihn verliebt, in sein Innerstes. Seine positive Lebenseinstellung, eine unglaubliche Lebensweisheit, sein Verständnis, sein Respekt. Er war kein perfekter Charakter, zuweilen sogar ziemlich schwierig, aber immer liebenswert. Ich war verrüpckt nach ihm! Und bin es immer noch! Ich wusste, dass er mir eines Tages das Herz brechen wird. Er muss ja eine Frau finden, hatte es schon mehrmals versucht. Die letzte Beziehung ist gescheitert. Aber ich hatte ihn, so schwer es mir fiel, immer unterstützt. Er hingegen hat immer versucht, mich meinem Mann wieder nahe zu bringen. So sehr hat er immer versucht, mir zu verheimlichen wie sehr er mich liebt. So wie ich es auch versucht habe. Aber irgendwann haben wir beide verstanden, dass wir an derselben Krankheit leiden. Wir konnten stundenlang reden, über alles, über Gott und die Welt, den Sinn des Lebens, Beziehungen, Männer und Frauen, unser Leben und was wir davon erwarten... Und ich war verrückt nach ihm. Im Bett waren wir wie füreinander geschaffen. Ich hätte den Rest meines Lebens in seinem Bett verbringen mögen. Es war so eine unendliche Vertrautheit da, wie ich sie in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt habe.
Jetzt ist er aus meiner Stadt fortgezogen. Er hat eine neue, bessere Arbeit gefunden. Vielleicht ist es auch geflohen, ich weiß nicht. Wir haben uns schon ein paar Mal wiedergesehen, aber nur als Freunde. Ich weiß, dass es ihm trotz aller Mühen immer noch schwer fällt, in der neuen Stadt Fuß zu fassen.
Mit meinem Mann - der von nichts auch nur die geringste Ahnung hat, zum Glück - hatte ich ein paar Diskussionen über unsere Ehe. Er bemüht sich rührend, unsere eheliche Beziehung zu verbessern. Ich schätze das wirklich sehr. Wir passen auch sonst perfekt zueinander. Für alle anderen sind wir das perfekte Paar. Nach außen hin. Ich glaube manchmal, meine gsamte Familie und all unsere Freunde wären unendlich schickiert, wenn sie wüssten, wie es in mir drin aussieht. Dass ich fremdgegangen bin. Dass ich einen anderen Mann liebe. Dass ich vor einem halben Jahr nahe dran war, alles aufzugeben, worum mich Tausende beneiden würden.
Ich bemühe mich derzeit nach Kräften, das schöne Bild nach außen aufrecht zu erhalten, meinem Mann weiter die perfekte Ehefrau vorzuspielen, zu verbergen, dass ich mich nach einem anderen Mann sehne...