yentl_12441057Vielleicht mal ein Blick hinter die Kulissen ...
So ein Hobby wie Fußball, jahrelang in einer Leistungsgemeinschaft ausgeübt, kann einem Leben ziemlich viel Struktur geben. Dahinter verbergen sich viele wichtige Dinge, die einem nicht Eingeweihten sich nicht auf den ersten Blick erschliessen.
Es läßt sich aus diesem Hobby sehr vieles herausziehen. Wer die entsprechende Anerkennung bekommt, wird mit entsprechend breiter Brust durchs Leben ziehen, dieses Gefühl, in einer Gruppe ein gemeinsames Ziel zu verfolgen und dabei in dieser Gruppe angenommen und gut aufgehoben zu sein, macht es lohnenswert. Das Gefühl, sich in diesem Sport völlig erschöpfen zu können und dadurch Frust und Aggressionen abzubauen. Dann die Spiele, in denen man die gesamte Gefühlspalette durchlebt, sehr starke Anspannung in diesem Spiel (vielleicht auch durch dieses archaische Mann gegen Mann) und dann diese Momente, wo sich die ganze Anspannung in Jubel entlädt oder zu tieftrauriger Niedergeschlagenheit führt (Fußballerfrauen kennen vermutlich nicht nur die schlechte Laune nach Spielen, sondern auch die entgegengesetzte Euphorie).
Ich kann niemandem, der es nicht erlebt hat, vermitteln wie nach einem Spiel in der Kabine, wo alle völlig platt und verdreckt in den Seilen hängen, das erste Bier schmeckt (ja, ich weiß, dass es schlecht für die Regeneration ist, aber es ist das geilste Bier, das man trinken kann).
Und in dieser Gemeinschaft verläßt sich der eine auf den anderen. Da ist es unabdingbar, dass bestimmte Regeln eingehalten werden - wie zum Beispiel, dass man zum Training geht. Wer da nicht erscheint, muss wirklich einen triftigen Grund haben. Von den Spielen ganz zu schweigen. Hier schrieb jemand, dass sie gar nicht verstünde, dass ihr Freund bei einem Wellness-Wochenende am Sonntag zeitig zum Spiel heim wollte. Wenn Du jemanden fragst, der diesen Sport intensiv betreibt, wirst Du bei ihm vermutlich auf Unverständnis stoßen, denn diese Termine sind fix. Da käme niemand auf die Idee zu hinterfragen. In dem Moment, wo jemand die Prioritäten anders setzt, ist er ganz schnell draußen. In Urlaub fährt man zum Beispiel im Juni, also nach der Saison und vor der Vorbereitungsphase oder in der Winterpause um Weihnachten herum. Wellness-Wochenenden plant man z.B. an den Wochenenden im November, wo spielfreie Tage sind wg. Totensonntag und Volkstrauertag usw.
Für dieses Hobby geht ziemlich viel Zeit drauf (je höher die Klasse, desto mehr Zeit, aber dafür wird ein guter Regionalliga-Spieler auch entlohnt wie ein Abteilungsleiter in einem größeren Unternehmen) und es ist eine Kunst, dann eine Paarbeziehung so zu führen, dass niemand zu kurz kommt. Da bedarf es dann auch besonderer Anstrengungen des Hobby Treibenden - indem er vielleicht der Partnerin in der Zeit, die nicht für das Hobby benötigt wird, sondern der Zweier-Beziehung zur Verfügung steht, das Gefühl vermittelt, nicht die zweite Geige zu sein, sondern dass beides einen sehr hohen Stellenwert für sein Leben hat - nebeneinander, bestenfalls miteinander und auf keinen Fall gegeneinander.
Vielen Fußballern ist es vermutlich nicht bewußt, dass ein Leben an ihrer Seite nicht gerade das ist, was manche Frau sich wünscht und dass es deshalb einer besonderen Kompromissbereitschaft bedarf, damit sie sich auch wohlfühlen kann.
In Deinem speziellen Fall jetzt denke ich, dass Du richtig liegst. Fußball ist ihm nicht wichtiger. Es ist eine schlimme Frage, die man einem Fußballer stellen kann, wenn man wissen möchte, was wichtiger ist. Es ist nämlich beides sehr wichtig, nähme man ihm eines davon, würde man ein Stück von ihm abschneiden.
Ich glaube, dass es am erfolgversprechendsten ist, wenn man einem Fußballer rüberbringt, dass man Verständnis für sein Hobby hat, es aber gleichzeitig bei einem derart zeitraubenden Hobby seine Aufgabe ist, einer Paarbeziehung entsprechenden Raum zu geben, damit sich die Partnerin trotzdem noch wohlfühlen kann - also noch etwas mehr 'Beziehungspflege' vonnöten ist als es sonst schon sein sollte.
Versuche, jemandem von seinem Hobby abzuklemmen, dem er sich intensiv verschrieben hat, führen nur dazu - wenn es denn gelingen sollte -, dass er sich kastriert fühlt und irgendwann werden sich seine Emotionen gegen den richten, der ihn gezwungen hat, also nicht wirklich eine gute Lösung.
Einen lieben Gruss
Larsen