Ich versuche mal ein wenig auszuholen, um die Problematik verständlich zu machen:
Meine Eltern wurden nach dem zweiten Weltkrieg durch die Oder-Neiße Verschiebung vertrieben. Sie flohen gen Westen.
Obwohl sie ja immer Deutsche waren, waren sie alles andere als willkommen. Ich erinnere mich an alle möglichen Berichte nach denen sie hier mit Schimpfwörtern begrüßt wurden. Auf der Straße bestrafte das Volk sie mit Missachtung. Die Nachbarn grüßten nicht. Sie waren immer die Flüchtlinge, nicht gerne gesehen.
Heimatgefühl entwickelte sich wohl nie so wirklich. Zwar machten meine Eltern die äußersten Bedingungen so schön für alle wie möglich, aber innerlich blieben sie wohl immer die Fremden.
Ich zog mit 20 weg aus dieser Stadt ins Ausland. Wieder war ich Fremde. In dem Alter scherte mich das verdammt wenig, denn Ausbildung, Studium... all das war wichtiger.
Ich lebte dann nach einigen Jahren im Ausland lange in einer größeren Stadt in Deutschland. Die äußeren Bedingungen fühlten sich gut an. Kultur, Lebendigkeit, Nachtleben. Die Bindung zur Nachbarschaft war schön!
Aber immer blieb ein wenig das hohle Gefühl fremd zu sein.
Und heute? Heute plagt mich dieses Gefühl so richtig. Ich bin nach einer Trennung aufs Land gezogen. Habe Eigentum gekauft und fühle mich hier nach 8 Jahren mehr als fremd. Dies fiel mal wieder sehr auf einer Veranstaltung auf. Die Menschen hier scheinen über Jahrhunderte Fremden gegenüber nicht offen gewesen zu sein. Ich fühle mich fremd. Ich habe in meiner ganz näheren Umgebung nichts und niemanden um mich herum, was mir das Gefühl von angekommen sein geben könnte, obwohl ich Familie, Mann und Kind habe. Mir reicht es einfach nicht meinen Hafen in ihnen zu finden. Ich habe es versucht. Es funktioniert nicht. Obwohl ich mit meinem Mann wirklich sehr glücklich bin!
Ich bin Gruppen zugehörig, habe hier viele Bekannte, wenige Freunde und einige Freunde weit weg. Das Gefühl bleibt.
Mich plagen auch furchtbare Schuldgefühle, dass ich meinem Kind keine Wurzeln geben kann. Zerbricht eine Freundschaft von ihm, drehe ich fast durch. Es zerbricht mir das Herz. Ich wollte doch bodenständig sein, damit er Wurzeln bilden kann. Aber eigentlich gibt es hier keine Wurzeln. Er kommt einfach nicht richtig an. Hat eigentlich keine festen Freunde, obwohl wir ja fast von seiner Geburt an hier sind.
Ich denke egal ob wir noch mal einen Neuanfang woanders starten würden: Das Gefühl würde immer bleiben. Dieses Gefühl der Wurzellosigkeit, der Heimatlosigkeit.
Die Stadt in der ich geboren wurde gibt mir das Gefühl nur randständig.
Äußere Bedingungen wie Job des Mannes, Eigentum (ziemlich geringer Wert, welche Alternative gäbe es da)? würden es außerdem sehr schwierig machen einen Neuanfang zu wagen.
Mir fehlt hier aber einfach die Nachbarschaft, die Freundlichkeit, die Hilfsbereitschaft, die ich anderswo her schon kenne. Hier alt werden wäre furchtbar.
Wie kann ich Heimat in mir finden, anstatt es an die Äußeren Gegebenheiten zu knüpfen?
Mein Mann kann mit all dem gar nix anfangen. Er braucht das alles gar nicht. Für ihn gibt es nur uns und Arbeit, der Rest ist ihm nicht so wichtig.