Ob das bei vielen Leuten so ist, weiß ich nicht, aber ich denke...
... dass man dieses Prinzip auch auf andere Zusammenhänge übertragen kann. Ich denke da nur ans Thema Auswandern, im Moment laufen ja auf seriösen und auch unseriösen Sendern dazu die schönsten Reportagen. Und was man da so sieht, lässt einem die Haare zu Berge steigen.
Grundtenor vieler (nicht ALLER!) Auswanderer: In Deutschland ist alles schlecht, es ist so schwer, Arbeit zu finden, die Wohnung ist zu klein und zu teuer, die Nahrung zu teuer, die Behörden zu lästig, die Steuer zu hoch, die Mentalität zu kühl, die Politik zum Erbrechen und überhaupt alles ist doof. Das will man nicht mehr, man möchte es schöner haben und unkomplizierter und lebenswerter.
Also gibt man seine 3-Zimmer-Wohnung auf, verkauft den Opel, kündigt den unbefriedigenden Angestellten-Job (weil der Chef ja eh doof ist), nimmt die Kinder aus der sowieso schlechten Schule, verlässt alle sozialen Kontakte und geht nach was weiß ich wohin.
Und kommt man dann im Paradies an, merkt man plötzlich, dass Autos auch dort Geld kosten, dass der Wohnungsvermieter auch dort einen Arbeitsvertrag sehen will, dass man die Landessprache auch dort beherrschen muss, dass es auch dort Behörden gibt, die man noch dazu bestechen muss, damit überhaupt was passiert, dass die Sonne nicht immer scheint, dass es schnell mal einen Putsch geben kann, dass auch dort die Ärzte Geld haben wollen und dass die Dorfschule nicht grade ein weltweit anerkanntes Abitur anbietet.
Aber wird JETZT lamentiert? Nein. Auf einmal heißt es: Naja, das ist halt so, und am Anfang muss man bescheiden sein, und da tut es dann auch ein Wohncontainer, und naja, der erste Job muss ja nicht der beste sein, hauptsache überhaupt erstmal Geld verdienen, und das Auto, naja, das kaufen wir halt später, es geht auch erstmal ohne, und das Häuschen am Strand ist noch zu teuer, vielleicht später, und naja, die Nachbarn, die wird man schon auch irgendwann kennenlernen, man muss halt Geduld haben, etc. etc. etc.
Das ALLES haben sie in Deutschland gehabt und es hat nicht gereicht, es reichte nur zum Unzufrieden sein. Jetzt haben sie es nicht mehr und finden es auf einmal ganz in Ordnung, und finden es auch in Ordnung, dass man sich Dinge erarbeiten muss und Geduld haben muss. Wieso hatten sie diese Geduld in Deutschland nicht?
Diese Tendenz, die beobachte ich MANCHMAL hier im Forum auch in Bezug auf Beziehungen. Da wurde man mal enttäuscht, von einem, der zufällig Deutscher war, und man lässt sich von einem Deutschen dies und das und jenes natürlich nicht bieten. Zu Recht. Aber dann verguckt man sich in einen anderen und ist verliebt, und der ist zufällig kein Deutscher, und das ist dann auf einmal das NonPlusUltra, und wenn der mal was Blödes macht oder sagt, ist man auf einmal ganz tolerant, weil, das ist ja eine andere Mentalität, und der kennt das halt anders, und überhaupt, das muss man akzeptieren.
Diese Akzeptanz, die ja ganz richtig ist, die vermisse ich hier sehr der eigenen Mentalität gegenüber. Und das ist sehr schade, denn man vergisst dabei, dass man selber an dieser Mentalität nicht unbeteiligt und ein Teil von ihr ist.