Gleiche Erfahrung
Hallo Du,
ich kann Dich voll und ganz verstehen, weiß was Du empfindest und was in Dir vorgeht. Ich habe dasselbe auch erlebt.
Ich war damals gerade 15 Jahre alt und mein Freund 3,5 Jahre älter als ich. Er war der erste Mann mit dem ich sexuelle Erfahrungen gemacht habe und hatte zu dieser Zeit auch noch die klassisch, romantische Einstellung eines Teenies - ein Mann fürs Leben. Am Anfang war alles super toll. Er lies mir Zeit für die ersten Erfahrungen und war verständnisvoll, zärtlich und romantisch. Das alles änderte sich aber schlagartig von dem Tag an, als ich das erste Mal mit ihm geschlafen hatte. Heute denke ich, dass er es als Freifahrschein für immer hielt. Bald schon kamen Vorwürfe von ihm, wenn ich nicht mit ihm schlafen wollte. Er warf mir vor ich würde ihn nicht mehr lieben und wenn er erregt wäre und nicht kommen würde, er dann Schmerzen hätte. Er machte mir zum Vorwurf, dass ich keinen Orgasmus bei ihm bekommen würde und kam mit allerlei blödsinniger Zeitschriften und Bücher zum Erlernen eines Orgasmusses bei mir an. Anfangs war ich noch stark und schlief nicht mit ihm, wenn ich es nicht wollte. Doch seine Reaktionen nahmen mir nach und nach mein gesamtes Selbstwertgefühl. Er lies mich nackt im Bett liegen, ignorierte mich, sprach kein Wort mehr mit ihm und schaute mich so verachtend an, dass ich mich nur noch wie ein Häufchen elend fühlte. Oft war ich es dann, die sich bei ihm sogar entschuldigte und versucht hat wieder alles ins Reine zu bringen. Lang hielt ich das allerdings nicht aus. Bis zu jenem Tag an dem es dann das erste Mal passiert ist. Über Stunden hinweg hat er immer wieder versucht mit mir zu schlafen und ich habe ihn immer wieder höflich darum gebeten es nicht zu tun. Er zog daraufhin seinen Hosenladen zu und ging und lies mich weinend zurück. Nach einer Weile kam er wieder und ich nahm ihn weinend in die Arme. Er versuchte es nach kurzer Zeit wieder und ich hatte einfach keine Kraft mehr mich dagegen zu wehren. Auch ich weinte während dessen, wehrte mich aber auch nicht körperlich. Immer wieder dachte ich mir, dass es bald vorbei sein würde und ich es dann einfach vergessen würde. Das habe ich allerdings nie. Ganz im Gegenteil. Alles wurde nur noch schlimmer. Von diesem Tag an kam es häufiger zu solchen Situationen und jedes Mal wenn ich deswegen weinte, versprach er mir, dass er rücksichtsvoller sein würde. Das war er allerdings nie. Das Schlimmste daran war, dass er zwar der Grund für meinen schlechten, seelischen Zustand war, aber er war andererseits auch der Einzige, mit dem ich reden konnte, der mich geliebt hatte und mich in die Arme nahm, wenn es mir schlecht ging. Außerdem wollte ich ja mein Traum von einem Mann fürs Leben wahr werden lassen. Er war also Peiniger und zugleich Zufluchtsort für mich. Es dauerte einige Monate, bis ich es geschafft habe mich endgültig von ihm zu trennen. Die Wunden sind allerdings deswegen nicht kleiner geworden. Mein Glück war, dass ich einen Freund gefunden hatte, der mit unheimlich viel Liebe und Verständnis mit meiner Erfahrung umging und der mit mir gemeinsam das Erlebte verarbeitete und meine Rückfälle der Verarbeitung immer liebevoll hinnahm. Heute glaube ich, dass ich ohne ihn nie wieder ein normales Sexualleben hätte führen können. Auch ich habe mich immer gefragt: war es sexuelle Nötigung, war es Vergewaltigung? Aber mal ehrlich, was spielt das für eine Rolle, wie man es nennt!? Was man selbst dabei empfindet, das ist das Entscheidende. Meine Erfahrungen hatten zur Folge, dass ich nicht mehr feucht wurde und als ich damit zu meiner Frauenärztin ging und sie mich fragte, ob ich schon mal schlechte Erfahrungen gemacht hätte begann ich nur zu weinen. Damals waren schon 3 Jahre vergangen, doch ich konnte noch immer nicht zu 100% mit dem Erlebten umgehen. Sie riet mir zu einer Anzeige, doch das habe ich nie getan, da ich mich bis heute frage, wer mir glauben würde, wie ich es beweisen sollte, ich hatte mich nicht körperlich gewehrt und wäre eine Bewehrungsstrafe die ganze Tortour überhaupt wert!? Wie Du habe ich auch noch einmal mit ihm außerhalb der Beziehung geschlafen. Er warf mir vor, dass er mein Sexualleben zerstört habe und nur er es auch wieder gut machen könnte. Er versuchte mir einzureden, dass er es geschafft hätte mich zu brechen. Ich wollte ihm das Gegenteil beweisen und schlief unter Hass und intensivster Abneigung noch einmal mit ihm und lies meinen Hassgedanken während dessen freien lauf. Es hört sich vielleicht komisch an, aber es hat mir geholfen damit abzuschließen. Ich habe ihn damit wahrscheinlich nicht so getroffen, wie es hätte sein sollen, aber ich selbst habe mich durch das Ausleben meines Hasses befreit. Ich wollte ihm einfach zeigen, dass er es nicht geschafft hat, mich zu brechen. Unterm Strich würde ich sagen, dass ich bis zu meinem 20igsten Lebensjahr gebraucht habe um mit diesen Erlebnissen zu 90% klarzukommen. Bis dahin gab es immer wieder Rückfälle und bis heute kann ich keine Filme anschauen, in denen Frauen vergewaltigt werden. Ich beginne dabei sofort zu weinen. Nach der Trennung drohte mein Ex-Freund mit Selbstmord und begann mich zu verfolgen. Erst nachdem meine Mom mit Polizei gedroht hatte lies er mich endlich in Ruhe. Was mir am meisten bei der Verarbeitung geholfen hat ist das positive in dem Erlebten zu sehen: ich habe gelernt nein zu sagen und das durchzusetzen. Heute würde ich jedem Mann, der mit mir so umgeht die Tür zeigen. Hör nicht auf Deinen Ex-Freund, wenn er Dir vorwirft, dass Du teilschuld daran hast. Das musste ich mir auch anhören und Dinge wie, ich sei prüde, der Sex mit mir langweilig etc.! Er versucht Dich damit nur zu treffen und sein eigenes Gewissen zu beruhigen. Er ist doch selbst daran schuld, dass Du Dich ihm immer häufiger verweigert hast und keinen Spaß mehr daran hattest mit ihm zu schlafen!
Ich wünsch Dir von Herzen alles Gute. Geb Dir Zeit, versuche Dir klar zu machen, dass Du auch etwas daraus gewonnen hast - mehr auf Dich selbst zu achten!
Viele liebe Grüße, CM