Hallo Lena,
hier bin ich wieder! Ja, ich könnte ein ganzes Buch schreiben über die Erfahrungen und Entwicklungen, die in unserer Familie bzgl. meiner Schwester in den letzten Jahren geschehen ist, da muss ich mich direkt zurück halten, denn es geht hier ja nicht um mich.
Du willst deine Freundin auf keinen Fall verlieren. Verstehe ich. Und ich find es auch toll, wenn ein junges Paar zueinander ja sagt, ganz und gar komplett, und einander so wichtig ist und einander wichtig nimmt. Aber jetzt kommt das aber: Sie kennt dich noch nicht vollständig. Du hast ihr bisher einen Teil von dir verschwiegen. Wenn sie dich liebt, dann liebt sie alles an dir. Und wenn sie dich nach einer Umwandlung nicht (mehr) liebt - dann wars auch nicht die große Liebe. Ich habs ja schon geschrieben, da wird sich nun sehr viel ändern. Du bist echt noch sehr jung, da kann noch vieles anderes kommen und passieren.
Eigentlich möchte ich dir etwas ganz anderes, grundsätzlicheres mitgeben: Du bist wichtig. Dein ICH sollte dir im Moment wichtiger sein als das WIR. Meiner Meinung nach kann man eine erfüllende, gelingende Beziehung erst dann führen, wenn man auch mit sich selbst im reinen bist. Du musst zu deinem ICH erst noch finden, du bist noch mitten im Prozess, und zwar in einem ziemlich radikalen Prozess! Den Kopf in den Sand stecken bringt nichts, das ist eine Sackgasse. Da musst du durch, und da willst du ja auch durch, weil du intuitiv spürst, was dich glücklich macht und was nicht! Andernfalls wird euer WIR, eure Beziehung immer unter den Kämpfen leiden, die du selbst mit dir ausführen musst. Das heißt nicht, dass du im Moment beziehungsunfähig bist! Sondern es heißt, dass im Moment im Wandel bist. Oben hab ich ja schon einmal etwas von einer "zweiten Pupertät" geschrieben. Der Begriff trifft es ganz gut, denke ich. Unterdrücke diesen Wandeln nicht, nur weil du deiner Freundin nicht schaden möchtest oder weil du deine Beziehung nicht beeinträchtigen möchtest! Das wird einen Schuss nach hinten geben. Sei dir selbst wichtig!
Ich mein, klar, du sollst dich nicht wie die Axt im Walde benehmen! Aber es werden mit Sicherheit Konflikte auf dich zukommen, durch die du durch musst, ob das mit deinen Eltern ist, am Arbeitsplatz oder mit Freunden... sicher wirst du einige Verluste haben, weil manche einfach nicht damit klar kommen, und bei anderen wiederum wird es lange lange dauern bis sie sich an den Gedanken gewöhnt haben... aber am Ende wird eine Frau stehen, die sich selbst kennt und sich ihrer selbst bewusst ist und die sich nicht zu verstecken braucht, eine Frau, die sich selbst lieben gelernt hat und die ihre Freunde von ihren Nicht-Freunden unterscheiden kann - weil sie sich und ihre Umgebung auf die Probe gestellt hat.
Ich bin sicher, dass du das schaffst, denn im Grunde kannst du ja gar nicht anderes, als nach deinem Glück zu suchen. Und du hast ja auch schon angefangen damit und bist den ersten Schritt gegangen, indem du es ausgesprochen hast - das ist super, manche brauchen ein Leben lang dafür, und jetzt kann es los gehen. Wer weiß, vielleicht bleibt deine Freundin an deiner Seite, und das wäre echt schön, denn ohne Menschen geht es nicht... und wenn es nicht so ist, dann wird es trotzdem weiter gehen, und dann sind da andere Menschen, die dir weiterhelfen und dich unterstützen. Es gibt für Transmenschen inzwischen so viele Communities in den großen Städten, du wirst das nie alleine durchstehen müssen. (In welchem Bundesland lebst du?)