Sozialneid
Sozialneid ist irgendwie ganz normal glaube ich - zumindest in Situationen, in denen einem das fehlt, was man selber gerne hätte.
Da neidet man anderen die bessere Figur, das bessere Auto, den interessanteren Job - und eben auch die Beziehung. Wenn man selber glücklich ist, kann man sich besser freuen - für sich selbst und für andere. Und wenn viel fehlt, ist es nun einmal das Glück der anderen, das einem vor Augen führt, was man selber nicht hat.
Dann wahrscheinlich auch noch das "Gerechtigkeitsdenken". Du bist sechs Jahre älter, eigentlich solltest Du also die erste sein, die vor den Traualtar zieht. Und wenn ich da so an meine Verwandtschaft denke, bekommt man solche Sprüche dann auch noch oft zu hören... Das macht es nicht gerade besser.
Was Leiden oder Liebeskummer bedeuten, verstehen viele auch erst, wenn sie es selbst durchlebt haben. Dafür aber wirst Du Glück sicherlich besser zu schätzen wissen und besser genießen können, wenn Du es hast! Und wenn die Tränen kommen, wenn andere erwarten, dass Du glücklich bist und Dich mit ihnen freust, dann ist es eben so.... Du wirst ja kaum auf Deinen "Auftritt" gewartet haben, sondern einfach nur einen Stich ins Herz verspürt haben. Und selbst wenn Deine Schwester sich die Situation anders vorgestellt hat: Du hast Dir Deine Lebenssituation doch auch anders vorgestellt....
Ansonsten kann ich mich meiner Vorrednerin auch nur anschließen. Barbiepuppenlächeln und abends in Kissen heulen. Mache ich genau so - bis auf in den Situationen, wo auch ich einfach - unpassend - einfach losheule.
Bestes Beispiel: Eine Studienfreundin und ich (beide 30) haben nicht nur an zwei aufeinanderfolgenden Tagen Geburtstag, sondern auch beide die Situation "Dauersingle" erlebt.
Im Dezember 2007 die normale Karte, Typ: "Frohe Weihnachten, bin leider immer noch Single, hoffe für Dich und mich, das nächstes Jahr alles anders wird."
Sommer 2008: Ich hatte wen kennengelernt, der eine herbe Enttäuschung war und es nie ernst gemeint hatte. In der Stimmung meine Geburtstagskarte von ihr: "Wie läuft es mit der Liebe? Ich habe kurz vorm 30. wen kennengelernt, bin so verliebt...."
Da habe ich zweimal herbe geschluckt.
Jetzt die Weihnachtskarte: "Die beiden sind zusammen gezogen, sie ist schwanger, im Mai kommt das Baby." Und obwohl Heiligabend war und meine Familie von mir erwartet hat, dass ich ein "frohes Fest" feier, habe ich geheult, geheult und geheult. Nicht die feine englische Art, sicher, aber ich habe gerade mal wieder tierischen Liebeskummer, alles ist aussichtslos und ich habe Weihnachten von ihm nicht einmal eine SMS bekommen.
Klar könnte ich daraus nun die Lehre ziehen, dass ja auch ich nächstes Jahr schwanger und glücklich sein könnte. Oder mit jemandem zusammenwohne, endlich mal glücklich verliebt bin...
Aber auch das tu ich nicht. Ich bin neidisch. Nein, ich missgönne ihr ihr Glück sicher nicht. Aber ich merke, was mir alles fehlt. Weine, leide noch mehr und denk, da oben hat mich jemand vergessen.
Irgendwie habe ich beim Verteilen der Schicksalslose wohl die Ar***karte gezogen.
Du siehst, ich reagiere auch allergisch. Aber das ist doch normal. Niemand ist ein "Heiliger". Das, was Du fühlst ist nur menschlich. Aber wie heißt dieses Lied so richtig: "Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben". Ich wünsche Dir, dass Du dieses neue Leben bald hast. Vielleicht heiratest Du später als andere, dafür bist Du dann aber noch glücklich, während andere längst beim Scheidungsanwalt sitzen... ;-)
Dauersingle sein ist einfach ätzend, und wer da von Dir erwartet, dass Du immer gut drauf bist, ist nicht gerade einfühlsam...
Das ist dann der Charakterzug, der wirklich nicht schön ist.
Bei Dir ist es doch einfach nur Deine emotionale Situation, die Dich aus dem Gleichgewicht bringt. Das hat nichts mit bösem Charakterzug zu tun. Wenn Du glücklich wärst, dann wäre es Dir auch leicht gefallen, beide freudig zu umarmen und ihnen direkt und mit offener Freude alles Gute zu wünschen, nicht?
Liebe Grüße,
Orangenfalter