Ich möchte das Thema "Offenheit" zur Diskussion stellen, weil es mich schon seit geraumer Zeit beschäftigt.
Immer wieder lese und höre ich, daß Menschen meinen, zwischen ihnen und ihrem Partner dürfe es keine Geheimnisse geben. Daß sie versuchen, ihren Partner vollkommen kennenzulernen, vor allem, was seine Beziehungs-Vorgeschichte betrifft.
Zu Beginn einer Beziehung kommen Fragen wie:
- Wieviele Partner hattest Du schon
- Warst Du mal verheiratet
- Warum bist Du es nicht mehr
etc.
Im Lauf der Beziehung wird es dann immer intimer, , es kommen Fragen wie:
- Bist Du mir schon mal fremdgegangen
- Warst Du mal im Bordell, im Swingerclub
- Was für sexuelle Praktiken hast Du bereits praktiziert,
etc.
Ich tue mich mit diesen Fragen sehr schwer, überhaupt hört "Offenheit" für mich spätestens dort auf, wo intime Dinge berührt werden, Erlebnisse, die ich für mich behalten möchte und die zudem längst abgeschlossen sind.
Wir sind hier im Forum anonym, deshalb gebe ich ein Beispiel:
Ich war 12 Jahre verheiratet und habe im 11. Jahr unserer Ehe im Urlaub jemand kennengelernt, mit dem ich schließlich fremdgegangen bin. Ich habe meinem Mann ein paar Wochen später alles gebeichtet und ihn gebeten, mich gehen zu lassen. Nicht wegen der Affaire - die war selbst verheiratet und lebte in einem anderen Land, zudem hatte mein Liebhaber nur ein Abenteuer gesucht, das war von Anfang an sonnenklar - sondern weil ich das ganze Eheleben mit ihm satt hatte. Die Gründe auszuführen, führt jetzt zu weit.
Schlußendlich wurde ich geschieden, ich lernte einen anderen Mann kennen und war drei Jahre mit ihm zusammen. Mein neuer Freund fragte damals auch nach den Gründen für meine Scheidung, ich habe sie ihm genannt, weil ich dachte, man "müsse" offen sein, sonst sei man ein hinterhältiger Mensch, der andere manipuliert.
Einige Zeit später sprachen mein Freund und ich über die Zeit unseres Kennenlernens, und wie das Interesse aneinander entstanden sei. Da kam dann plötzlich folgende Bemerkung: "Nun, ich war erst sehr zurückhaltend, denn Deine Vorgeschichte war ja nicht besonders gut.". Ich fragte ihn, was er damit meine, ich sei doch geschieden gewesen, als er mich kennengelernt habe, und einmal in 12 Jahren fremdzugehen, noch dazu am Ende einer Beziehung, in der zum Schluß nur noch 1-2 x jährlich Sex stattfand, auf die ewig gleiche langweilige Art und Weise... also da gäbe es wohl schlimmere Exemplare! Er sagte ja, im Prinzip habe ich ja recht, aber sein Bild von mir habe sich gründlich verändert, seit ich ihm das erzählt hätte und er habe lange mit sich kämpfen müssen, bevor er mir "doch noch eine Chance" habe geben können.
Auch diese Beziehung war drei Jahre später beendet (er starb bei einem Autounfall vor zwei Jahren), seitdem bin ich Single. Unter anderem deshalb, weil die wenigen Männer, die ich noch gedatet habe, mir mit der Frage auf den Wecker fielen, warum ich mich denn hätte scheiden lassen.
Ich mag nicht gern lügen, aber ehrlich gesagt, für mich ist das Thema erledigt und ich habe echt keine Lust, jedem von der Sache damals zu erzählen. Ich antwortete daher meistens, mein Mann und ich hätten uns auseinandergelebt und am Ende wäre ich halt gegangen. Doch nicht ein Mann gab sich mit dieser Antwort zufrieden. Alle bohrten sie weiter, ob denn der Sex nicht gestimmt hätte (was ich als Frage wirklich schon unverschämt indiskret finde!), ob er fremdgegangen sei, und wie es sein könne, daß ich ihn verlassen habe, ohne einen anderen Partner in Aussicht zu haben. Die Gespräche endeten in schöner Regelmässigkeit damit, daß ich zu verstehen gab, ich hätte meine Ehe soweit verarbeitet und es sei ein Thema, über das ich nicht mehr weiter sprechen möchte. Natürlich seien Dinge geschehen, aber das läge zwischen mir und meinem Mann, ich betrachte das als Intimität und hätte keine Lust, mich darüber mit Dritten auszutauschen. Daraufhin mußte ich mir jedesmal anhören, ich sei verklemmt, zu verschlossen, habe bestimmt was zu verbergen, etc.
Ja sicher. Ich habe tatsächlich etwas zu verbergen. Ich bin kein Mensch, der in der Vergangenheit lebt. Ich lebe jetzt, und ich erinnere mich zwar manchmal noch an alles, aber ich will nicht, daß die Vergangenheit mich immer wieder aufs Neue einholt.
Ich habe mit meiner Vergangenheit abgeschlossen, mir selbst auch irgendwo verziehen, daß ich meinen Mann nicht schon viel früher verlassen habe, statt es soweit kommen zu lassen, daß der nächste beste Mensch, der mir endlich mal ein wenig Charme, Höflichkeit, Aufmerksamkeit und liebevollen Umgang zukommen läßt, mich in sein Bett ziehen kann. Das war sicher ein Fehler, ich bin nicht stolz darauf. Aber es ist halt nicht mehr rückgängig zu machen. Es wird mir sicher nicht wieder passieren, jedenfalls nicht bei einem Mann, der mich gut behandelt.
Ist das wirklich hinterhältig, wenn ich diesen dunklen Punkt in meiner Vergangenheit für mich behalten möchte? Ist es wirklich "verklemmt", wenn ich keine Lust habe, irgendwelchen Männern, die ich doch auch erst ein paar Tage oder Wochen kenne, Details aus meinem Eheleben zu berichten? Wozu müssen sie das wissen?
Eure Meinung dazu würde mich sehr interessieren.
Es kann sein, daß ich Euch nicht sofort antworten kann, denn ich muß meinen PC morgen in Reparatur geben. Aber es wäre echt schön, wenn ich nach meiner Rückkehr ins Online-Leben ein paar Antworten im Forum finden könnte.
Franka