Fremde sind Freunde, die man nur noch nicht kennengelernt hat. (Goethe)
Mit diesem Zitat möchte ich meine Hilfslosigkeit mit euch teilen und hoffe dadurch meine Zeit besser überstehen zu können.
Ich bin seit über sechs Jahren mit meiner Freundin zusammen. Wir haben uns im Studium kennengelernt und aneinander lieben und streiten gelernt. Letzendlich sind wir gemeinsam Erwachsen geworden. Mittlerweile haben wir einen acht Monate alten Sohn. Sie ist Ärztin und ich bin in der Unternehmensberatung beschäftigt. Wir haben sehr schöne Zeiten aber auch sehr turbolente Zeiten durchstanden. Wir haben uns beide schon missverstanden, außer Acht gelassen, belogen und verhasst gefühlt, aber auch verliebt, geborgen und aneinander engstens Verbunden. Also verlief unsere Beziehung schon fast ganz von Anfang an mit einem Auf und Ab der Emotionen.
Letzte Woche Samstag hatten wir uns zusammengesetzt und wollten Tacheles reden, wie es denn weiter geht. Sie sprach mich an dass sie Tacheles reden wolle, sie aber Angst hätte dass ich ihr oder mir selbst etwas antue. Nebenbei bemerkt bin ich türkischstämmig, ohne den Vorurteilen Raum schaffen zu wollen!
Wir hatten uns einen Tag vorher über etwas gestritten und ich war im Glauben dass es sich mit "Tacheles" reden, um dieses Thema und der Hintergründe dreht.
Doch es kam anders. Sie erzählte mir dass sie was mit einem anderen Mann hatte. Zu einer Zeit in der sie sich von mir wie ein Möbelstück behandelt fühlte. Sie erzählte auf meine immer detaillierter werdenden Fragen mehr und mehr. Es wäre im September 09 passiert, sie hätten sich mehrmals getroffen und mehrmals miteinander geschlafen. Bis an diesem Samstag hatten wir beide das Gefühl, dass unsere Beziehungskurve immer weiter nach oben steigt, auch wenn wir uns ab und zu noch teilweise heftig stritten. Mut dazu gab uns unser kleiner, acht Monate alter Sohn.
Moment, genau zu dieser Zeit sind wir doch schwanger geworden? Wir hatten uns ein spezielles Wochenende zu unserem Fünfjährigen in einer tollen Stadt gemacht, sie teilte mir mit dass sie genau an diesem Wochenende fruchtbar sei und wir entschlossen uns, zu versuchen an diesem Wochenende schwanger zu werden und schliefen miteinander. Jetzt erfuhr ich dass sie genau zu dieser Zeit eine Affäre mit einem anderen Mann hatte. Sie hatten kurz vor diesem Wochenende miteinander geschlafen. Dann erfuhr ich dass sie auch noch ein-zwei Tage nach diesem schönen Wochenende miteinander geschlafen haben (dies aber erst einige Tage später nach KRIPO Verhörungsmaßnahmen). Das Beste kommt zum Schluß. In der vergangenen Woche meldete sich der Typ bei ihr und stellte in den Raum dass unser?! kleine Sohn auch seiner sein könnte und verlangte hinter meinem Rücken einen Vaterschaftstest im Ausland. Damit setzte er meiner Freundin quasi die Pistole an die Brust, u.a. drohte er ihr auch mit einer Klage. So war sie gezwungen mir die ganze Angelegenheit zu gestehen und besorgte sich auch gleich einen Vaterschaftstest den nun ich statt er, machte. Ich weiss nicht ob ihr mein Leiden nachempfinden könnt, ich wünsche keinem sich in meiner Lage befunden zu haben.
Auch wenn meine Freundin behauptet dass sie jedesmal verhütet hätten (Kondome) erleichtert es nicht das qualvolle Warten auf das Vaterschaftstestergebnis. Am Montag ist es soweit! Ich habe einen Tag nach dem sie mir den Betrug gestanden hat, den Typen (auch noch ihr damaliger Arbeitskollege) aufgesucht. Nach dem verdienten Knockout habe ich ihn zur Rede gestellt. Dumm von mir, da er nachdem ich ihn wieder hoch und sich auf irgendwelche Treppen zu setzen geholfen hatte konnte er kaum noch reden vor Angst. Genugtuung oder Erleichterung dass ich ihn geschlagen und zur Rede gestellt habe, fühle ich leider nicht. Ich weiß ehrlich gesagt nicht was ich fühlen kann, es ist ein einziges Durcheinander.
Meine Freundin bereut es sehr, sie versucht mich jetzt bei dieser harten Woche nicht alleine zu lassen. Sie bedauert das Ganze und kann nicht erklären was sie dazu getrieben hat, so einen Scheiss zu bauen. Sie versucht Erklärungen zu starten, aber eine Rechtfertigung gibt es für dieses Maß an Betrug nicht, da ist sie der selben Meinung. Ich liebe sie, ich liebe meine Familie obwohl ich nicht mal weiß ob es meine Familie ist. Sie beteuert dass sie mich liebt und nicht verlieren möchte und um mich kämpfen wird. Meine Gefühle erwürgen mich, sie hat mir alles genommen. Vertrauen, Selbstachtung, Würde und vor allem meinen Verstand! Es sagt mir gerade alles, von alles auseinandernehmen bis den Kleinen anzuerkennen auch wenn er nicht mein Sohn ist. Sie hat mich zu meinem eigenen Gefängnis gemacht. Wenn ich meinen Eltern erzähle, dass sie mich betrogen hat und evtl. der Kleine nicht deren Enkelkind ist, brechen diese liebewürdigen, gutgläubigen Menschen zusammen. Kleine Vorgeschichte, sie waren schonmal Großeltern geworden durch meine Schwester. Sie verlor leider ihr Kind mit wenigen Monaten durch den plötzlichen Kindestod. Daher kann ich es ihnen nicht antun. Meinen Freunden kann ich es a) vor Scham nicht erzählen und b) habe ich Angst dass sie mich stark bei meiner Entscheidung beeinflussen können obwohl sie diese Erfahrung selbst nicht gemacht haben. Ich könnte jetzt losrennen mich besaufen und mich auf andere Frauen einlassen, glaube aber nicht dass mir das irgendetwas geben wird.
Daher wende ich mich an euch, bitte hilft mir. Wie soll das Ganze weitergehen? Hat diese Beziehung eine Chance, ist sie es Wert weiter geliebt zu werden?
Mit einem passenden Zitat beende ich meine bedauerlicherweise viel zu lange Nachricht.
Wir neigen dazu, Unbekannten zu glauben, weil sie uns noch nie betrogen haben. (Samuel Johnson)