Ich bin über vierzig und mache mir im Moment Gedanken um die Beziehung zu meiner Mutter.
Ich glaube, dass sie viel schlechter war, ist, als ich jemals wahrhaben wollte.
Ich fühlte mich immer materiell und ernährungstechnisch umsorgt. Ich suchte immer ihre Nähe, fühlte mich schlecht wenn sie weg war, hatte Verlustängste.
Und was soll ich jetzt sagen? Traurigerweise sind das wohl die markantesten positiven Zusammenhänge, die mir ad hok einfallen.
Und jetzt kommt das Andere:
Ich kann mich nicht daran erinnern, dass sie mich jemals bei einem emotionalen Problem wirklich aufgefangen hätte.
Ich habe sie auch nie als wirklich adequaten Gesprächspartner empfunden. Muss wohl als Kind alles gänzlich mit mir selber ausgemacht haben. Ich hatte Gott sei dank eine sehr gute Freundin, schon von Kindergartentagen an, zu der ich immer geflüchtet bin. Sie war mehr emotionaler halt als meine Mutter. Das hört sich sicher merkwürdig an. Aber mit meiner Freundin bin ich heute immer noch befreundet und sich hat sicher schon von frühpupertärerer Zeit an eine Seelentrösterrolle übernommen. Ich weiß nicht was ohne sie geworden wäre.
Mein Vater war, durch furchtbare Kriegsgeschehnisse, emotional gar nicht present. Nie. Es gibt kaum eine gute Erinnerung mit ihm zusammen, nur ganz wenig. Er hat wirtschaftlich für uns gesorgt, das Andere konnte er nicht. Er ist tot.
Meine Mutter ist immer noch heute in der Erwartungshaltung, dass ich mich nach ihrem Wohlbefinden erkundige, dass alles von mir aus geht. Sie hat zu meinem Sohn eine schlechte Bindung. Irgendwie mag mein Sohn sie nicht so, deshalb fährt er auch nicht immer mit hin.
Meine Mutter ist nicht zur Einschulung meines Kindes gekommen. Ich habe ihr gesagt wie traurig uns das macht, ohne großartig emotional zu werden oder besonders schuldzuweisend. Sie hat kalt reagiert.
Sie reagiert oft kalt. Ich habe erst vor ein paar Jahren rausgekriegt, dass sie irgendwie gar nicht richtig fähig ist zuzuhören, geschweige denn emphatisch auf emotionale Gegebenheiten zu reagieren.
Ich habe durch eine Therapie gelernt damit besser umgehen zu können. Ich erwarte einfach nix und versuche Gespräche sachlicher zu halten.
Manchmal bin ich sogar ohne mein Kind ein paar Tage bei ihr und dann geht es mir ganz gut dort.
Es gibt aber auch Zeiten da falle ich nach so einem Besuch in ein wirklich tiefes Loch.
Eigentlich weiß auch meine Mutter kaum was über mich. Sie könnte sicher kaum beantworten, welche Ausbildungen ich wo absolviert habe, noch welche Länder ich mit wem bereist habe...
Ich habe von frühester Zeit wohl emotional Verantwortung für meine Mutter übernommen: Ich habe mich immer um ihr Wohlergehen gesorgt. Habe sie immer mit irgendwelchen Ausflügen beschenkt.... Die Ehe zu meinem Vater war furchtbar. Sie tat mir als Kind schon immer leid. Ich habe dann in Form einer Therapie gelernt, dass ich nicht in einer derart massiven Form Verantwortung für meine Mutter übernehmen darf, hätte dürfen.
Ich habe durch eine Therapie auch schmerzhaft ans Tageslicht bringen dürfen, dass ich, schon als Kind und Jugendliche vieles sehr alleine bewältigt habe und konnte einige Trauerarbeit darüber beginnen, abschließen. Auch Wut konnte ich aufbauen, so allein gelassen worden zu sein.
Heute leide ich immer noch massiv unter sozialen Störungen. Ich habe zwar einen Freundeskreis, fühle mich jedoch immer noch oft einfach allein.
Ich fühle dass ständig ich diejenige bin, die eine Freundschaft aufrecht erhalten muss, dafür sorgen muss, während schwächeren Kontaktzeiten fühlt es sich immer wieder so an, als hätte ich niemanden. Ich fühle mich wie das alleingelassene Kind.
Dann werde ich wieder zu der Einzelkämpferin, die auch allein viel erreichen kann im Leben. Nicht selten habe ich mich dann in etwas exessivere Erlebnisse gestürzt. Das hat allerdings schon länger ein Ende, da ich Gott sei dank nun schon länger mit einem Mann wirklich sehr glücklich bin!
Er hat anscheinend eine heilende Wirkung auf meine völlig vernarbte Seele.
Ich fühle mich oft so einsam, als wäre da kein Mensch und real kann ich wirklich nicht gut intensiv Freundschaften aufrecht erhalten und das fehlt mir so und ich sehne mich mit über 40 so sehr nach echter Mutterliebe.
Zu meiner Mutter halte ich trotzdem Kontakt, da ich sie ja auch liebe und gewiss bin, dass sie einfach nichts dafür kann, dass sie so ist.
Ich habe noch nie eine warme Umarmung von Seiten meiner Mutter gespürt, nie wirklich emphatisch behandelt wurde.
Ich bin wirklich sehr glücklich, dass ich all das durch Freunde erfahren durfte und darf, aber manchmal fühlt sich einfach alles an wie früher.
Ach ich weiß gar nicht was eigentlich mein genaues Anliegen ist, wollte das einfach mal loswerden, in der Hoffnung vielleicht irgend ein paar Worte dazu zu hören. Will ja auch hier gar nicht als Jammerlappen dastehen. Habe ja auch viel an mir gearbeitet.