Prolog
Eine junge Frau, die mit beiden Beinen im Leben steht, die sich durch nichts schocken läßt, die Ihr Ding macht, egal was andere davon halten, die immer gute Laune hat und andere damit ansteckt, immer für andere da ist und zuhören kann, mit Rat und Tat jedem zur Seite steht der zu ihr kommt, die ein manchmal schon fast unhemiliches Einfühlungsvermögen hat, ein Engel, wie sie oft genannt wird...
Aber Sie ist auch eine Frau, die ein eiskaltes Miststück sein kann ( das sagt selbst Ihre Mutter ), eine Frau die keine Tränen vergißt, die immer die Ruhe bewahrt, niemals schreit oder ausrastet, die niemandem vertraut, außer sich selbst, die sich auf Ihr Gefühl und Ihre Menschenkenntnis verlassen kann, die niemanden an sich ran läßt ( nicht mal jemanden mit dem Sie 4 Jahre verbracht hat ), die immer vorsichtig ist bei allem ( naja fast allem ) was Sie tut, die in schlimmen Situationen immer die Kontrolle über Ihre Gefühle hat, die auch anderen Menschen gegenüber Ihre Gefühle immer unter Kontrolle hat.
Es ist schwierig Sie einzuschätzen, das sagen viele, sogar die Menschen die Sie recht gut kennen, und das sind nicht viele...
Eine Geschichte...
Ein Kind, 5 Jahre alt, wird nachts wach, weil Sie etwas hört, jemand wimmert, es ist nicht Ihre kleine Schwester, sie schläft tief und fest.
Ihre Mutter ist nicht da, nur Ihre Tante, die im Moment dort wohnt und Ihr "Vater" scheint nach Haus gekommen zu sein, denn Sie hört seine Stimme, Sie geht den Flur entlang, die Schlafzimmertür von Ihren Eltern ist offen, sie sieht Ihre Tante weinend, halb entkleidet auf dem Bett sitzen und Ihr "Vater" berührt Sie..., obwohl Sie nicht will..., was in der Nacht passiert ist hat das kleine Mädchen erst Jahre später begriffen, Sie hat zugesehen wie Ihr " Vater" Ihre Tante vergewaltigt....
Ihre Tante ist ein paar Wochen später weggezogen in eine andere Stadt.
Dieser Vater ist nicht nett, er trinkt viel, verspielt das Geld was Ihre Mutter erarbeitet und er schlägt Sie...
Wieder eine Nacht, Ihre kleine Schwester schläft wieder tief und fest, das kleine Mädchen aber wird wieder wach, weil Sie Ihre Mutter hört, Sie weint, Sie schreit plötzlich, ein dumpfer Schlag... das Mädchen rennt ins Wohnzimmer, sieht den Vater dort stehen, mit eine Pfanne in der erhobenen Hand und die Mutter am Boden mit einer blutenden Wunde an der Schulter, mit blauen Flecken und einem blauen Auge... Das Mädchen will Ihrer Mutter helfen... und wird grün und blau geprügelt...
Sie ist jetzt bald sechs, sie paßt auf Ihre kleine Schwester auf, kocht für Sie, tröstet die Mutter, ein großes Mädchen...
Geschlagen wird Sie oft, sie bekommt zu Ihrem 6. Geburtstag ein Lexikon ( das Sie heut noch besitzt ), sie sitzt im Wohnzimmer das Lexikon auf dem Schoß und schaut sich begeistert die Bilder an, als er kommt... , er schreit Sie an, schnappt sich Ihr geliebtes Lexikon und wirft es Ihr kurzer Hand an den Kopf..., das Lexikon, ist Ihr erster Gedanke, die eine Seite hat einen Riss bekommen...
So geht es weiter und weiter, er versucht Sie zu brechen..., mit Prügel, mit Schreien, mit allem, aber Sie wird immer ruhiger, weint nicht mehr, weil Sie weiß das es dann nur schlimmer wird, sie schreit nicht, weil es auch dann nur schlimmer wird, weil Sie weiß das er genau das will, das Sie schreit und weint, sie tut es nicht, sie sieht Ihm ins Gesicht wenn er Sie schlägt, geht dazwischen wenn er es auf Ihre Mutter abgesehen hat..., paßt auf Ihre Schwester auf... und beginnt damit der Mutter zu sagen, ob es nicht besser wäre wegzugehen...
Sie lernt endlich richtig lesen in der Schule und beginnt Bücher regelrecht zu verschlingen, alles was Sie in die Finger bekommt... dann fühlt sie sich in eine andere Welt versetzt und kommt ein wenig zur Ruhe... Ihre Zuflucht, genauso wie Musik..., wenn sie mitsingt fühlt Sie sich gut, alles andere wird unwichtig für einen Moment...
Wieder eine schlimme Nacht, Ihre Mutter, er hat Sie blutig geschlagen... und das kleine Mädchen auch, weil es die Schläge abfangen wollte, die Nase blutet, blaues Auge und blaue Flecken überall... sie bleibt ein paar Tage zu Hause, muß nicht zur Schule. Sie hat nicht mal geweint...
Einmal hat Sie geweint, allerdings weil Ihr geliebter Hund, mit dem aufgewachsen ist, eingeschläfert werden mußte, dieser Hund war Ihr ein und alles, hat in Ihrem Bett geschlafen, der Hund hat Sie nie allein gelassen, da vergoß Sie Tränen...
Sie hat Jahre später erfahren, daß Ihr " Vater den Hund totgetreten hat...
Ein paar Tage später wird er von der Polizei abgeholt, wegen Körperverletzung bei jemand anderem... und ist ein paar Monate nicht da... eine schöne Zeit...
Sie bekommt Ihr erstes Fahrrad, Ihr achter Geburtstag, Sie ist so stolz... und fährt und fährt und hat Ihren ersten bösen Unfall, der ganz Oberschenkel aufgeratscht, Sie fährt nach Hause und wird grün und blau geschlagen weil das Fahrrad einen Kratzer hat...
In diesen Tagen erfährt Sie von Ihrer Mutter, daß dieser Mann nicht Ihr Vater ist und das Mädchen freut sich...
Es geht noch eine Weile so weiter, bis das Mädchen, neun ist es jetzt, endlich Erfolg hat und Ihre Mutter überredet, endlich abzuhauen, nachdem beide wieder böse einstecken mußten, wieder eine Nacht in der Sie Ihre Mutter getröstet hat und selber stark war um der Mutter nicht noch mehr Kummer zu machen...
Die Sachen werden gepackt, es war im Juni 91... endlich weg... frei? Nein
Sie waren in dieser Zeit bei Freunden, bei einer anderen Tante ( derem Mann es einmal Spaß machte mit den Nichten zu spielen, was er noch nie getan hatte und dann auch nicht mehr tat, und Spaß dran hatte 9- jährige Mädchen dabei seltsam anzufassen...., etwas was Sie auch erst Jahre später begriffen hat)
Wochen später kehrten die Mutter mit den beiden Töchtern in eine völlig zerstörte Wohnung zurück...
Ein neuer Mann in Mamas Leben, er kam dem jungen Mädchen ein bißchen komisch vor, aber Sie dachte sich alles ist besser als der letzte...
Neue Wohnung, neuer "Vater", alles anders..., die Hoffnung auf ein bißchen Kind ( denn wann konnte Sie je wirklich Kind sein ? )sein können, einen "Vater" zu bekommen, der einen ein bißchen lieb hat, sich nicht mehr um die Mutter kümmern müssen...
Dieser komische Kerl fand es toll seine Stieftöchter wie Bedienstete zu behandeln, mach dies , mach das, mach jenes und wenn nicht, gibt es Stubenarrest, Taschengeldentzug, im Zimmer eingeschlossen werden...
Auch er hat versucht Sie zu brechen, mit Anschreien, mit Drohungen, mit immer neuen Strafen und Verboten, er nahm Ihr das Geld weg, das Sie selber verdient hat durch Zeitung austragen, er nahm Ihr Ihren Fernseher, egal Sie hatte Ihre Bücher, auch die nahm er weg, egal Sie hat sich neue gekauft, er nahm Ihr die Musik, egal Sie kaufte sich nach langem sparen einen Walkman...einmal hat er versucht Sie zu schlagen... sie schlug zurück, seine Art wurde immer schlimmer, ständig betrunken, aber er hat es nie wieder getan...
Ihre Mutter brauchte nach wie vor Ihren Trost, Ihre Kraft, denn er war ständig betrunken, arbeitete nicht viel, führte sich auf wie ein Sklaventreiber, sie paßte nach wie vor auf Ihre Schwester auf, hielt so viel wie möglich von Ihr fern...
Sie wuchs heran, mißtrauisch, ruhig, immer für andere da, sie hörte anderen zu, redete aber nie von sich selbst...
Sie vergoß keine Tränen, schrie nie rum, war für alle da...
Sie war 14, es war April, schon warm, sie war mit Ihrer Clique unterwegs und fuhr erst spät zurück nach Hause, es war schon dunkel, Stöcken Endpunkt, der Bus fuhr Ihr vor der Nase weg, eine Stunde warten...
Ziemlich düsterer Endpunkt, da war ein Kerl... betrunken, groß, dreckig... er laberte Sie voll, Sie wollte weggehen, aber er hielt Sie fest und zerrte Sie ins Gebüsch , zerriss Ihr die Klamotten und versuchte sie zur "Frau zu machen" wie er sagte, sie konnte nicht schreien, seine Hand...er betatschte Sie überall, leckte Ihr durchs Gesicht ( etwas was Sie selbst heut noch haßt ) und berührte Sie mit der Zunge auch an anderen Körperregionen und dann hatte Sie Ihr Messer in der Hand und verletzte ihn am Oberschenkel, er schlug Sie wieder und wieder... beschimpfte Sie und dann kamen Leute... Sie ist nur noch gerannt...
Es war niemand zu Hause, zum Glück... keine Tränen... einfach nur vergessen... nicht drüber reden...
Hey, schlimmer kann es nicht mehr werden...
Ihre Mutter heiratete diesen Kerl tatsächlich, es hielt kein halbes Jahr danach, das war 97
Ihre Mutter lernte einen vernünftigen Mann kennen, ließ sich wieder scheiden und heiratete knapp 2 Jahre später.
Der war und ist ok, aber einen richtiger Vater konnte er für Sie nicht mehr werden, schließlich war Sie schon sechzehn und brauchte niemanden mehr...
Sie war gerade 17 geworden, als Sie Ihren letzten Albtraum erlebte, sie war seit 2 Monaten mit einem Typen zusammen, sie hat zum ersten mal nicht nach ein paar Wochen gesagt " und Tschüß" ( das tat sie immer dann wenn es ernster wurde..., und da Sie niemanden an sich ran läßt hat Sie immer ganz schnell Schluß gemacht ), er war ok, durchgeknallt aber ok, bis er Sie eines Nachts in seiner Wohnung einschloß, aus Sorge das Ihr was passiert, sie hatte Ihm kurz zuvor nur im Ansatz versucht zu erklären, warum Sie irgendwelche Zungenspielchen nicht mag ( wirklich nur im Ansatz versucht zu erklären, nicht mal erzählt was wirklich passiert ist, sondern eine Geschichte erfunden ) und mal davon abgesehen daß Sie mit Sex gerade erst angefangen hatte...
Er ist ausgerastet und schloß Sie ein, kam nach Stunden sturzbetrunken wieder... und ist auf Sie losgegangen, schlug Ihr mit der Faust ins Gesicht... und sie griff wieder zum Messer... sie mußte Ihm nur drohen, er hat Sie gehen lassen...
danach hatte Sie für 3 Jahre die Schnauze voll von Männern, gut wirklich jemanden an sich rangelassen hat Sie eh nie, aber Sie wollte nicht mal mehr mit jemandem zusammen sein.
Ihr Leben wurde normal, Sie verschloss die Vergangenheit ( 16 Jahre Ihres Lebens!! ) und redet nicht darüber, denkt nicht mal drüber nach, ganz wenige, genau genommen 3 Menschen kennen Bruchstücke, aber wenn man Reaktionen wie " Ach, halb so schlimm" zu hören bekommt oder absolute Gleichgültigkeit, hört man auf zu versuchen darüber zu reden.
Es gibt niemanden der alles weiß.
Sie selbst setzt sich nicht damit auseinander, außer wenn Sie alle paar Monate Ihre Albträume bekommt, weil sie durch eine Kleinigkeit an irgendetwas erinnert wird, aber auch die Träume gehen vorbei.
Sie ist eine junge Frau geworden, die vor gar nichts Angst hat ( was kann auch schlimmeres passieren, als Sie eh schon erlebt hat? )
Sie ist immer für andere da, etwas was Sie seit Ihrem 5. Lebensjahr tut, sie denkt selten an sich und damit kann Sie leben.
Sie ist nachdenklich, aber nicht auf den Mund gefallen, sie bekommt immer was Sie will, auch wenn es manchmal länger dauert, aber dafür hat Sie Geduld, Sie kann auf sich aufpassen, haßt es wenn andere sich um Sie Sorgen machen ( hat vorher auch nie jemand getan ), kann die Menschen gut einschätzen, hat ein Gespür dafür entwickelt, was passiert und ist vorsichtig und verschlossen, Sie hat sich und Ihre Gefühle immer unter Kontrolle und ist die Ruhe selbst, egal was passiert, weil Sie gelernt hat, daß schreien, weinen oder um sich schlagen nichts bringt, sondern alles eher schlimmer macht.
Diese junge Frau wird jetzt plötzlich gefragt, warum Sie nicht einfach mal ausrastet, das es Ihr gut tun würde, daß es Ihr gutes recht wäre, nach allem was in der letzten Zeit passiert ist. Diese Frage kommt von dem ersten Menschen, dem Sie mehr vertraut als jedem anderen, er ist der erste Mensch, den Sie an sich ranläßt, ... der erste bei dem Sie das Gefühl hat, daß man Ihm alles erzählen könnte..., aber gerade auch der Mensch, der sie so verletzt hat (was Ihr bis jetzt nie passiert ist, weil sie nie jemanden an sich ran gelassen hat! ) immer und immer wieder und es immer noch tut, dem Sie eigentlich nichts mehr glaubt, weil er sie so oft belogen hat,
Aber sollte ein Mensch, den man mehr liebt als alles andere, mit so etwas konfrontiert werden, mit einer Antwort auf seine Frage, die er vielleicht nicht verkraftet... ? Oder reagiert er auch mit Gleichgültig oder mit dem Satz "Ach halb so schlimm"?