Hallo!
Ich bin neu hier und würde mich freuen, wenn mir der ein oder andere hier vielleicht ihre/seine Meinung über meine derzeitige recht komplizierte Beziehungssituation mitteilen könnte. Da die Wurzel des Problems aber schon seit Jahren besteht, will ich hier versuchen zu schildern wie es dazu gekommen ist, dass die Beziehung zu meinem Freund trotz regelmäßigem Aussprechen in eine Art Stillstand gekommen ist. Denn so fühlt es sich an.
Zu aller erst. Ich bin 24 Jahre alt, vor knapp 2 Jahren von zu Hause ausgezogen um mit meinem Freund zusammen in eine nahe gelegene Mietwohnung zu ziehen. Wir hatten es beide mit unserer Familie nicht leicht und fühlten uns ziemlich missverstanden, was soweit ging dass wir ihnen kaum etwas erzählten was uns wichtig war, aus Angst sie könnten uns damit runtermachen bzw. es bei einem Streit gegen uns verwenden. Natürlich hat sich dann einiges angestaut, was Ängste hervorgebracht hat die nicht hätten sein müssen wenn man früh genug darüber geredet hätte. Mein Freund ist ein Jahr jünger als ich. Wir sind vor 4 Jahren zusammen gekommen, waren davor aber noch eher so was wie gute Freunde, weshalb er es auch für wichtig hielt mir ein paar Dinge zu erzählen bevor es zu einer Beziehung kam wofür ich heute sehr dankbar bin.
Tatsache ist, mein Freund hat ein immer wieder eintretendes Verlangen danach Frauenkleidung anzuziehen. Männerkleidung interessiert ihn nicht. Er geht nicht gern einkaufen um seine löchrigen Jeans zu ersetzen oder anderes. Aber er würde am Liebsten ständig in der Frauenabteilung von Schuhgeschäften und Boutiquen herumlaufen. Natürlich kauft er sich auch viel übers Internet. Ich hab damals beschlossen ihn zu unterstützen und ihm auch beim Einkaufen geholfen, indem er mir gesagt hat was ihm gefällt und ich in der Umkleidekabine darum gebeten hab dass er Mal einen Blick drauf wirft wie ich aussehe, obwohl es nur ein Vorwand war damit er es Mal probieren konnte. Somit hat das super funktioniert. Mittlerweile wissen seine jüngere Schwester, sein bester Freund und meine jüngere Cousine davon, die in der Hinsicht sehr offen sind.
Sexuell gesehen muss ich sagen, dass ich immer schon Probleme damit hatte mit Männern auszukommen sofern sie signalisierten dass sie was von mir wollten. Als Freunde/Kumpel waren sie mir am Liebsten. Wenn ich mich dann Mal selbst in einen verguckt hab, hatte der aber kein Interesse. Aufgrund meines Verhaltens in jungen Jahren und div. Standpunkten die ich zu vertreten hatte, war meine Mutter auch schon überzeugt davon dass ich vermutlich auf Frauen stehe, was mich zum Grübeln gebracht hat da ich tatsächlich viele Frauen als erotischer empfinde als Männer. Das hatte zur Folge dass ich als ich meinen Freund kennen gelernt hatte, der zwar an Frauen interessiert war aber immerzu zu schüchtern war es einer zu sagen, noch Jungfrau war, ebenso wie er. Nächstes Problem. Wir wollten beide, wir hatten uns auch langsam herangetastet aber wann immer es so weit sein sollte, hab ich es einfach nicht gepackt. Ich bekam schlagartig, trotz des bis dahin angenehmen Gefühls und Bedürfnisses nach Sex unheimliche Angst, nicht direkt von den Schmerzen sondern einfach davor entjungfert zu werden. Oft hab ich das Gefühl das könnte damit zusammen hängen dass ich befürchte nachher nicht mehr dieselbe zu sein, weil so viele Frauen in meiner Umgebung/meinem Freundeskreis sich sehr negativ verändert haben, wenn es bei ihnen so weit war. Und da waren genug Spätzünder wie ich dabei. Obendrein hab ich ein starkes Bedürfnis nach einem geregelten Maß von Distanz und Nähe, in jeder Beziehung, weshalb ich dankbar dafür bin das mein Freund auch ab und zu nicht nach Hause kommt und ich die Wohnung für mich hab und er kein Problem damit hat wenn ich mich mit Freunden allein treffe. Auch wenn ich es als unlogisch betrachte, befürchte ich durch den Sex anhänglicher zu werden und nicht mehr die zu sein die ich bin. Daher kam es bis heute trotz der Tatsache dass wir anfangs wirklich viel in der Richtung versucht hatten dazu, dass es mit Einzug in die neue Wohnung kein Thema mehr war. Mein Freund meinte ja, es läge nicht an mir direkt sondern auch an ihm, aber ich weiß dass es sehr wohl an mir liegt und diesen dummen Ängsten. Wir beide sind der Meinung dass Sex nicht so wichtig ist, weil es nur was Körperliches ist und uns immer schon wichtiger war dass es auf geistiger Ebene funktioniert und wir uns respektieren. Aber ich denke das klappt auch nur, weil wir es einfach noch nie gemacht haben. Schließlich redet die ganze Welt von nix anderem und viele Beziehungen funktionieren ohne nicht einmal. Jedenfalls wissen unsere Familien nicht davon. Ich könnte das meinen Eltern nie sagen, wobei er eigentlich kein Problem damit hat es jemandem zu sagen. Denn er steht dazu dass die Beziehung ohne Sex klappt und es ist ihm egal was andere denken. Ich persönlich sehe es aber als gesellschaftlich abnormal an und will es auf keinen Fall jemandem erzählen. Kuscheln, küssen etc. ist bis heute noch tagtäglich der Fall. Wir sagen uns auch jeden Tag dass wir uns lieben, was ich nicht unbedingt brauchen würde. Denn es ist klar dass das nach Jahren immer weniger wird und ich hab auch nicht damit gerechnet dass es bis heute noch so oft passiert. Jedenfalls kann man sagen abgesehen vom Sex funktioniert die Beziehung gut, da wir auf freundschaftlicher Basis aufgebaut haben. Aber manchmal denke ich dass meine Angst vorm Sex seinen Drang dazu, seine feminine Seite auszuleben verstärkt hat, da er sich als Mann eher als störend empfindet also seinen männlichen Körper nicht akzeptieren will. Vor Kurzem erst meinte er, ich wäre ohnehin der einzige Lichtblick in seinem Leben, denn seine Familie würde nicht zu ihm stehen wenn er sich zu einer Frau umoperieren lassen würde und auch sonst hätte er niemanden. Um eines klar zu stellen. Er hat einen wirklich tollen besten Freund, der aber in letzter Zeit einfach viel um die Ohren hat weshalb sie nicht mehr so viel miteinander zu tun haben. Doch sonst ist mein Freund eher jemand der irrsinnig leicht mit Menschen ins Gespräch kommt und Bekanntschaften schließt, aber keine Freundschaften aufrecht erhält, weil er sich einfach von sich aus nie meldet und viel an anderen rumzumeckern hat. Obendrein er hat einen Handwerksberuf gelernt, von dem er überzeugt ist dass er ihn gar nicht gut kann. Aber er hilft jedem dabei Möbel zusammen zu bauen wenn er was braucht und jeder ist begeistert davon wie schnell er das ohne fremde Hilfe hinbekommt. Doch er ist schlicht und ergreifend davon überzeugt dass er es nicht kann und weiß auch, was für Folgen dieser Beruf mit sich bringt. Denn er hat seit seiner Geburt ein Problem mit dem Rücken, was nur immer schlimmer wird und die Arbeit natürlich nicht dazu beiträgt dass es gut wird. Therapien will er nicht machen, er ist auch kein Fan von Tabletten (wer ist das schon?). Und somit hasst er sich auch Bisschen dafür diesen Weg eingeschlagen zu haben. Jedes halbe Jahr ist er erneut auf Arbeitssuche weil er gefeuert wird, obwohl er fleißig ist und viele Überstunden macht. Doch zumeist ist er in Firmen angestellt, die über den Winter keine Arbeit für ihn haben. Dann wartet er auf neue Aufträge und niemand meldet sich mehr, wie es eigentlich ausgemacht war. Nun lebt er zumeist von Notstandsgeld, von meinem Gehalt und fühlt sich wie ein Schmarotzer. Andererseits hält er es nicht lange aus ohne sich neue Frauenkleidung zu kaufen oder Videospiele oder mit seinem Vater in seiner Lieblings-Kneipe zu verschwinden (ohne was zu trinken, aber er liebt eben die Gesellschaft und das kann ich ihm auch nicht verübeln). Tatsache ist er versucht diesem Leben damit zu entfliehen und meinte vor Kurzem am Liebsten wäre es ihm sich in eine Frau umoperieren zu lassen. Er liest auch schon Monate lang ständig davon wie das ist, was für Risiken so eine Operation mit sich bringt, wie oft man davor zum Psychologen muss damit man quasi bestätigt bekommt dass man das wirklich braucht usw. Zu erst dachte ich ja kein Problem. Ich bin ohnehin schon mein Leben lang verwirrt, was meine sexuelle Orientierung angeht und vielleicht lernen wir uns durch diesen Schritt beide etwas besser kennen. Er wird zur Frau macht einen Kurs in Nageldesign oder anderes und ich warte ab was diese Veränderung mit mir anstellt. Mehr als dass wir hinterher nur Freunde sind kann ja nicht passieren. FALSCH
Problem Nr. 1 Meine Eltern. Ich wüsste nicht wie ich ihnen das sagen könnte und sie zulassen dass ich bei ihm bleibe. An und für sich kann es mir egal sein, denn es ist mein Leben und ich liebe das Außergewöhnliche, Unkonventionelle, während sie davor zurückschrecken weil sie sicher sind, dass man sich mit dieser Einstellung kein Leben aufbauen kann. (Ich bin übrigens sehr sparsam und keine Geldrausschmeißerin verstehe damit also sehr wohl wie man sich etwas in Ruhe aufbauen kann. Aber es ist schon klar wie es seitens meiner Eltern aufzufassen ist.) Mein Freund hingegen ist ohnehin der festen Überzeugung dass seine Familie nichts mehr mit ihm zu tun haben möchte, wenn es erst einmal raus kommt. Meine Eltern sind auf ihn ohnehin nicht gut zu sprechen weil er gegen den Strom schwimmt und Traditionen bricht, während meine Eltern an Traditionen fest halten und ich diejenige bin die sie brechen will aber den Mund nicht aufkriegt.
Problem Nr. 2 Der Umzug. Wir leben in einer Kleinstadt mit super Verbindungen in die Großstadt und ländlicher Atmosphäre mit kleinem Waldgebiet, was wir beide sehr zu schätzen wissen. Er will eigentlich nicht weg ziehen aber man begegnet hier STÄNDIG Leuten die man kennt und natürlich auch der Familie. Daher wäre es am Besten in die Großstadt zu ziehen, wo ständig die seltsamsten Leute herumlaufen auch viele Männer in Frauenkleidung wohl gemerkt! Außerdem wäre die Sache mit der Arbeit einfacher. Denn er hat zwar einen Führerschein, aber kein Auto. Ich habe das Auto und brauche es die Meiste Zeit aufgrund meiner Arbeit und sportlichen Aktivitäten NACH der Arbeit, die ohne Auto nicht erreichbar sind. Ich liebe die Großstadt und die vielen Leute die einem dort begegnen. Doch ich will dort einfach nicht leben. Es ist zu teuer, zu laut und alles was ich kenne und liebe von Stammlokalen, bis hin zu den Ärzten und dem Friseur der mich seit ich 5 war kennt befindet sich nun Mal hier wo ich jetzt bin. Auch er will gar nicht von hier weg, doch er weiß wenn er sich umoperieren lassen will bleibt ihm keine andere Wahl.
Problem Nr. 3 das Schlimmste und Wichtigste. Das Geld. Ich sitz nicht nur auf meinem Geld, ich gönne mir auch gern was. Aber im Endeffekt spare ich lieber als das Geld zum Fenster rauszuschmeißen und ich habe meinem Freund auch versucht das Sparen beizubringen. Es hat zunächst auch funktioniert aber wenn er Mal ein Tief hat, das mit seiner Arbeit in Verbindung steht oder besser gesagt dem Fehlen von Arbeit, dann läuft das Kaufverhalten bei ihm aus dem Ruder. Stattdessen geht er mit ein bis zwei Mahlzeiten am Tag mit knurrendem Magen ins Bett um dem Geldmangel entgegenzuwirken. Aber das ist nun wirklich keine Lösung. Ich schaffe es aber nicht ihn zur Vernunft zu bringen, will ihm aber helfen irgendwie wieder mit beiden Beinen fest im Boden zu stehen. Wenn er also zur Frau werden will und diesen Nageldesign-Kurs machen will UND obendrein noch in die Großstadt ziehen will bräuchte er schon eine Menge angehäuftes Geld um diesen Traum wahr zu machen. Doch momentan schafft er es gerade noch so (wenn er hungert oder ich eben öfter im Monat den Einkauf mache, anstatt es gleichmäßig aufzuteilen) die Hälfte der Miete unserer derzeitigen Wohnung aufzubringen, samt seiner Versicherungen etc. Ich weiß echt nicht mehr weiter. Er ist für mich ein wunderbarer Mensch, auf den man sich verlassen kann. Man kann mit ihm über alles reden, er hilft im Haushalt, er kocht auch oft von selbst ohne dass ich was sagen muss. Das einzige Problem sind seine Launen (aufgrund des Arbeitsverlustes), die daraus entstehenden depressiven Gedankengänge und sein Verschwendungsdrang. Wegen seines Charakters würde ich mich nie von ihm trennen wollen. Auch nicht wenn er zur Frau werden will nur muss ich dann eben sehen wie ich auf diesen neuen Körper reagiere. Aber das weiß er auch.
Ich weiß das alles klingt wirr und zusammenhangslos und wahrscheinlich glaubt der ein oder andere so etwas gibt es nicht. Es ist so dass ich normalerweise meine Probleme selbst löse, aber es hat sich zu viel angehäuft und meine Beziehung ist mir zu wichtig als dass ich sie aufgebe nur weil ich nicht mehr weiter weiß. Daher bin ich offen für jeden Ratschlag den ihr mir geben könnt. Und ich würde mir einen sooo langen Text niemals aus Langeweile ausdenken. Manche werden sich vielleicht darüber kaputt lachen wie pubertär gewisse Sorgen klingen, die ich hier niedergeschrieben habe. Aber in meiner Entwicklung als Frau und als Mensch ging insbesondere sexuell gesehen eben ziemlich viel schief, aber ich bin froh zu sein wer ich bin und habe keine komplexe mir selbst gegenüber. Deshalb nehmt meine Schilderungen bitte nicht als Selbstmitleid auf. : )
Vielleicht hat jemand von euch Mal Ähnliches durchgemacht oder kennt jemanden dem es in ein oder anderer Sache ähnlich ging. Bitte erzählt mir wie diese Leute damit umgegangen sind. Ich will einfach nur dazu lernen und versuchen einen guten, vernünftigen Ausweg aus diesem Teufelskreis zu finden.
Vielen Dank schon Mal für alle Antworten und dass ihr euch die Zeit genommen habt diesen langen Text zu lesen.
LG