Hallo an Alle.
In diesem Forum suche ich Rat und neue Sichtweisen. Ich freue mich über jede/jeden der liest und danke euch.
Ich bin 26J und männlich. Beruflich bin ich Fitness Trainer mit ein paar Zusatzausbildungen, abgeschlossenem Studium etc. Es geht vor allem um meine Beziehung. Meine Freundin und ich sind seit 1,5 Jahren in einer Fernbeziehung (anderes europäisches Land) und wir sehen uns ca. alle 6-9 Wochen für 1 Woche oder etwas mehr. Das ist extrem anstrengend, da in meiner Branche auch nicht gerade das große Geld verdient wird, um häufig durch die Welt zu reisen und sie ebenfalls Probleme hat eine ordentlich bezahlte Arbeit zu finden. Trotz abgeschlossenem Studium ist es ein Ding der Unmöglichkeit, da in ihrem Land die Wirtschaft total am Boden liegt. Dafür finde ich aber, dass wir das sehr gut machen. :D
Folgende Problematik jedoch: Seit einigen Monaten lässt sich meine Freundin etwas gehen, macht keinen Sport mehr, isst häufig sehr ungesund und nimmt entsprechend auch zu. Ich weiß was ihr jetzt denkt: "Ah, was ein oberflächlicher Muskelprotz! Hat nur Eiweißshakes und Fitness im Kopf. Wahrscheinlich noch nie ein Buch gelesen." - Ist okay, damit lebe ich in dieser Branche. Fitness ist für mich nicht mein Leben, sondern einfach etwas, das ich gut kann. Mein Interesse gilt auch nicht Bodybuilding oder Figurtraining, sondern Training für etwas ältere Menschen, um Schmerzproblematiken in den Griff zu bekommen.
Wie gesagt nimmt meine Freundin eben zu und ich bin ehrlich: Ich finde sie körperlich dadurch immer weniger attraktiv. Mein Frauentyp muss nicht jeden Tag drei Stunden trainieren und nur noch Gemüse essen. Das sehe ich leider jeden Tag und weiß auch welche Langzeitfolgen das hat. Dennoch stehe ich auf sportliche Frauen, da mir der Körper nicht nur als Hülle für den Geist wichtig ist, sondern eben als Ausdruck eines gesunden Lebensstils, einer guten Beziehung zum eigenen Körper und somit auch zum eigenen Selbst. Klar, im Jahr 2017 geht es in westlichen Ländern meist nur noch um Intellekt, Kultur und anspruchsvolle Diskussionen, aber ich bin eben etwas oldschool. Das eine schließt ja auch das andere nicht aus. ;)
Leider schaffe ich es nicht ihr zu helfen. Ernährung ist zu 90% Psychologie. Das erlebe ich tagtäglich in intensiven und langen Kundengesprächen. Denn fast jeder weiß, dass tägliche Schokolade am Abend eben nicht beim Abnehmen hilft, sondern vielleicht etwas leichteres. Problem ist aber die Emotionalität, welche hinter dem Essen steht. Sprich, Menschen Essen aus verschiedensten emotionalen Gründen, auch wenn sie genau wissen, dass es ihnen nicht gut tut. Dann ensteht eine kognitive Dissonanz und es werden Ausreden gesucht oder schlicht über die eigene Ernährung gelogen. Hört sich vielleicht etwas kalt und brutal an, aber mit etwas psychologischer Ausbildung und unzähligen Kundengesprächen kann ich das aus der Erfahrung sagen.
Bei meiner Freundin kommen zwei Dinge dazu: Sie ist in einer angespannten Situation, die sie mental fertig macht. Sie findet keine richtige Arbeit und kann daher nicht ausziehen. Mit ihrem Vater hat sie aber ein sehr "schwieriges" Verhältnis und eigentlich hassen sie sich. Es ist wahnsinnig traurig, was sie leider erleben musste. Daher kommt bei ihr häufig der Griff zu ungesunden Snacks. Außerdem - und das macht die Sache für mich als Profi so kompliziert - wurde sie in ihrer Grundschule gezwungen auch Gemüse zu essen, wenn sie keinen Hunger hatte oder es ihr schlicht nicht schmeckte. Dies wurde auch nicht besonders freundlich getan. Seitdem hat sie eine Geschmacksaversion gegenüber fast jeglichem Gemüse. Das macht die Nahrungsmittelauswahl sehr klein und es gibt wenig, was sie an gesunden Alternativen essen könnte. Sie möchte verständlicherweise auch nicht immer das Gleiche essen, hat aber wie gesagt sehr wenige Optionen.
Ich versuche ihr Hilfe zu geben und frage sie, was ihr denn einfällt für gesundes Essen. Jedoch kommt nach kurzer Zeit bei solchen Themen sofort der Crash: Sie fängt bitterlich an zu weinen, sagt, dass sie fett sei (was einfach nicht stimmt) und dass es bei ihr sowieso nicht klappen kann abzunehmen, da sie nicht weiß was sie tun muss. Selbst wenn sie es tun würde, so würde es trotzdem nicht klappen. Sie hat vor einigen Monaten versucht sich gesünder zu ernähren und hat von mir gestaltete Trainings mit Videoanleitungen gemacht. Sie hat dadurch auch abgenommen und sich besser gefühlt. Dann hat sie es wieder sein lassen und jetzt behauptet sie, dass das damals auch nicht funktioniert hat. Es hat aber funktioniert, nur eben nicht so schnell, wie sie das wollte. Da ich keine Radikaldiät-Kacke (sorry, aber das ist berufsbedingter Hass) mit Menschen mache, sondern nur langfristig arbeite, dauert alles eben auch etwas.
Jedenfalls macht sie mir in den Gesprächen dann auch immer Vorwürfe, dass ich ihr nicht helfe, obwohl ich es ja alles weiß. Ich habe ihr dann auch 5 Bücher gesucht und in ihrer Landessprache angelesen, um zu sehen, ob sie gut sind oder Stuß. Sie hat sich nach wochenlangem Aufschieben dazu entschieden eines zu kaufen. Die anderen braucht sie nicht, sagt sie. Die anderen gehen aber über das Thema Ernährung langfristig umstellen durch gesunde Gewohnheiten und einfache Alternativen. Also genau das, was sie braucht. Sie sagt aber a) dass es zu teuer ist und b) dass es sowieso nichts bringt. Sie ist fett und das bleibt so (laut ihr). Zu a): Sie hat zwar kein richtiges Einkommen, verfügt aber über ein nicht kleines Sparkonto. Sie sagt aber, dass ihr das Buch nicht so viel Wert sei.
Ich weiß ehrlich gesagt da nicht weiter. Sie sagt sie kann nichts erreichen, weil sie nicht weiß wie man trainiert oder sich richtig ernährt, lehnt aber jede Hilfe ab. Sei es durch Coaching, Trainingsanleitungen und Pläne oder Literaturempfehlungen, damit sie selbst in der Lage ist zu entscheiden. Gleichzeitig ist sie sauer, dass ich ihr nicht helfe. In meiner Arbeit habe ich bisher noch nie einen Kunden oder eine Kundin erlebt, der/die derart alles abblockt was man anbietet. Ich sage auch nicht: "Hey, du musst abnehmen.", da ich weiß, dass sie das fertig macht und sie generell schon zu viel emotionalen Stress hat. Manchmal werde ich sauer, da sie alles vehement ablehnt.
Wie seht ihr die Sache? Gehe ich alles zu "profesionell" und zu wenig emotional an? Habe ich Dinge übersehen? Verstehe ich sie falsch? Ich bin ratlos.
Das Problem wird etwas größer, da auch ich meine Päckchen mit mir rumtrage.
Früher war ich wirklich dieser typische Fitness-Mensch. Hab ständig trainiert etc. Mir ging es blendend. Ich hatte viel Selbstbewusstsein, grenzenlose Energie etc. Doch dann kam auch bei mir ein Crash. Mein zentrales Nervensystem war total überlastet vom Training und ich stürzte in ein richtiges Übertraining. Das ist, wenn der Körper über lange Zeit zu viel trainiert und dann richtig überlastet. Dann geht gar nichts mehr. In manchen Fällen kann es Jahre dauern, bis das Ausgangsniveau wieder erreicht werden kann. In der Zeit kann man wenig bis nichts trainieren. Für Sportler grausam. So auch für mich. 1 Jahr lang habe ich eigentlich nichts mehr gemacht. Die Zeit viel auch in meine Abizeit zusammen. Da ich einen Freiwilligendienst machen wollte, arbeitet ich zunächst in der Heimat (kleines Dorf - mehr Kühe als Einwohner), um etwas Geld zu sparen. Alle meine Freunde zogen jedoch in große Städte. Und plötzlich war mein Leben leer. Kein Sport mehr, keine Freunde mehr da, Winter. Ich stürzte in eine Depression. Mir ging es irgendwann wieder besser nach meiner Reise. Trotzdem erlebte ich zwei Jahre später wieder einen Rückfall und war in Therapie. Das ging ca. 8 Monate und seitdem ging es mir auch gut. Was hat das alles mit meiner Freundin zu tun?
Nun, seit ich diese erste Depression hatte, hat sich mein Leben verändert. Ich habe innerlich wie eine Bremse, die mich (nehme ich an) schützen soll. So kann ich einfach nicht mehr so intensiv trainieren wie früher. Es ging nicht mehr. Keine Chance. Außerdem bin ich seitdem nicht mehr so energievoll und in den letzten 2 Jahren sind meine Energielevel richtig gesunken. Endokrinologisch ist alles top, Ernährung und Sport auch, also schließe ich auf ein psychisches Problem. Leider ist seitdem, also schon seit ca. 5 Jahren, meine Libido auch viel schwächer geworden. Wenn ich das mit Altersgenossen und -genossinen vergleiche, komme ich mir schon komisch vor. Sex ist für mich seitdem eigentlich nicht mehr wirklich wichtig bzw. ich habe halt sehr selten richtig Lust drauf. Von "animalischer Leidenschaft" keine Spur mehr. Früher war das anders, das weiß ich noch.
Generell war in meinen Beziehungen (4 feste Partnerschaften) genau das auch ein Problem, da ich einfach nicht so oft wollte. Für meine Partnerinnen natürlich unverständlich, denn Mann will ja anscheinend immer. Tja, ich eben nicht und das hat die Beziehungen belastet, was mir auch Leid tut.
Zu meiner generell geringen Libido (1x pro Woche ist für mich bspw. ausreichend) kommt dann eben dazu, dass ich meine Partnerin zusehends weniger attraktiv finde. Ich mache mir da gerade echt Sorgen. Ich kann sie ja nicht drängen jetzt Sport zu machen und sich gesünder zu ernähren, damit ich sie wieder attraktiver finde. Es wäre vor allem für sie und ihr Selbstbewusstsein enorm wichtig, aber wie vorhin beschrieben blockt sie alles.
In den letzten Wochen hat es mir mit meiner eigenen chronischen Unlust und Energielosigkeit dann gereicht. So ging es nicht weiter. Ich habe angefangen wieder öfter und härter zu trainieren und trainere auch immer mit einem Trainer-Kollegen zusammen, damit wir uns pushen. Ich achte noch mehr auf meiner Ernährung, gehe früh zu Bett und stehe früh auf. Lese mehr statt Serien zu schauen, meditiere wieder täglich, arbeite an meiner Kommunikation, treffe mich mehr mit Freunden und mache Zukunftspläne (Trainersein ist wie gesagt nur etwas, was mir liegt, aber mich nicht komplett erfüllt). Und ernsthaft: Ich hab schon so viele Dinge ausprobiert, aber dieses mal habe ich das Gefühl, wie ich es schon lange nicht mehr hatte. Meine Energie kommt zurück, meine Stresspegel sinkt, ich bin lebensfroher und einfach wieder mehr ich, wie ich mal war. Dadurch steigen mein Selbstbewusstsein und meine Libido auch wieder. Die Libido jedoch gaaaaaaaaaaaaanz langsam.
Es wäre so super, wenn meine Freundin sich auch aufraffen könnte was zu tun. Für ihren eigenen Selbstwert wünsche ich es ihr von Herzen. Klar, dass ich mir auch eine attraktive, sportliche Freundin (weil es mein Typ ist - rein subjektiv) wünsche. Unterstützen will ich sie auch. Aber ich weiß einfach nicht mehr wie. Wird sie mein "Leben wieder in die Hand nehmen" einschüchtern und unter Druck setzen? Welche anderen Wege kann ich noch gehen, um sie zu unterstützen als die, die ich bisher versucht habe?
Und dann bleibt ja noch das Problem, dass meine Libido, ja immernoch auf einem sehr niedrigen Niveau hängt.
Ach Leute, es wurde jetzt doch länger als geplant. An scheinbar so oberflächlichen Dingen wie "Der Körper" steckt halt dann doch viel mehr unter der Oberfläche. Vielen Dank, wenn ihr dem Lesen des Textes eure Zeit geschenkt habt. Ich würde mich auf eure Interpretationen, Kritiken, Gedankenanstöße und vielleicht auch Erfahrungen in ähnlichen Situationen freuen.