Läuft Liebeskummer bei Männern anders ab als bei Frauen?
In die Psychotherapie kommen in der Regel immer mehr Frauen als Männer in der Trennungskrise, wenngleich die Anzahl männlicher Betroffener in den letzten Jahren gestiegen ist. Dennoch leiden aus meiner Erfahrung Männer stärker als Frauen. Dies ist damit zu erklären,
- dass Männer eher gewohnt sind, Kontrolle über Situationen zu haben, und deshalb durch das Verlassenwerden das Selbstwertgefühl bedrohter ist,
- dass Männer weniger gewohnt sind, über ihre Gefühle zu sprechen,
- dass Männer meist keinen Freundeskreis haben, der sie unterstützt,
- dass Männer wenig Problemlösestrategien erlernt haben,
- dass Männer in ihrem Leben eher in Sieger-Verlierer-Kategorien denken und sich nicht gerne als Verlierer sehen.
Männer stürzen sich nach einer Trennung häufig in Arbeit, in den Alkohol, wilden Aktionismus und suchen schneller wieder nach einer neuen Partnerin. Hilfreich wirkt es sich in der Trennungskrise aus, dass Männer meist einen Arbeitsplatz haben und finanziell eher abgesicherter sind, daß sie eine durch den Job vorgegebene Tagesstruktur haben, dass sich in ihrem Leben nicht so viel ändern müssen wie bei den Frauen, die sich erst einen Job suchen müssen oder gar eine Ausbildung beginnen müssen, die die Kinderbetreuung alleine übernehmen müssen.
Was sollte man bei Liebeskummer auf keinen Fall tun?
- alles verdrängen und so tun, als ob nichts wäre
- sich in eine Sucht stürzen (Alkohol, Beruhigungsmittel, Fressen)
- überstürzte Entscheidungen treffen wie etwa das Haus verkaufen, kündigen ...
- sich ständig in Hassgedanken ergehen
- Telefonterror beim Partner ausüben
- sich rächen und den Partner beim Chef oder Finanzamt anschwärzen
- sich ins Bett zurückziehen und den Alltag vollkommen brachliegen lassen
- sich klein machen und immer wieder um einen Neunanfang beim Partner betteln; alles tun, nur um den Partner zurückzugewinnen (was man aber auf Dauer gar nicht aufrechterhalten kann)
- sich mit Schuldgefühlen zerfleischen
- den Partner bei Freunden schlechtmachen
- die Ernährung und den Körper vernachlässigen
Was sollte man bei Liebeskummer in jedem Fall tun?
- sich Zeit nehmen und seine Gefühle ausdrücken (über Musik, malen, schreiben, sprechen)
- von sich nicht erwarten, dass man normal funktioniert (jegliche Aktivität erfordert mehr Kraft)
- auf Ernährung achten. Wenn man nicht kochen möchte, sollte man zumindest viel Obst und Gemüse essen, viel trinken.
- Mit Freunden sprechen oder ein Tagebuch führen
- Seine Wut in Bewegung ausdrücken (joggen, putzen, radfahren ...)
- Gedankenstopp unter Tag einsetzen und sich bestimmte Zeiten setzen, an denen man sich mit der Trennung befasst
- Sich in Erinnerung rufen, welche Erfolge man bisher im Leben hatte und welche Freunde einem mögen
Wann ist die harte Phase des Liebeskummers spätestens vorbei?
Mit Zahlen sollte man sehr vorsichtig sein! Jeder Betroffene braucht seine Zeit. Es hängt auch von den Umständen ab. Wenn der Expartner auch schwankt und Anlass zur Hoffnung/ Versöhnung gibt, verzögert sich der Prozess. Kommen noch andere Verluste hinzu ebenfalls. Nach einem Jahr sollte es zumindest schon zeitweise mal Momente geben, wo die Aufmerksamkeit auf andere Themen als die der Trennung gerichtet ist.
Kann Liebeskummer auch eine kreative Kraft sein?
Ja,
- man erlebt tiefe Gefühle. Die Gefühle der Trauer, Wut und des Schmerzes können dazu führen, dass man sie künstlerisch ausdrückt (Musik, Gedichte, Bilder...)
- man zieht Bilanz, erkennt besser, was im Leben wichtig ist
- man bekommt ein neues Selbstbewusstsein, wird unabhängiger
- man entdeckt neue Freunde
- man entdeckt neue Interessen, die der Partner nicht zuließ oder die man in der Partnerschaft vernachlässigt hat
- man entdeckt sich selbst neu, evtl. auch neue sexuelle Vorlieben
- man entwickelt neue Lebensziele
- man lernt, alleine zu leben (wird erwachsen)
- man befreit sich aus einer den überwiegenden Teil negativen Partnerschaft zu befreien
- man lernt, Konflikte konstruktiv zu lösen
- man kann alte Erfahrungen aus der Kindheit bearbeiten
- man lernt, auf seine eigenen Bedürfnisse zu achten (wenn man in der Partnerschaft dazu neigte, sich aufzugeben)
- man lernt, auf die Bedürfnisse des anderen zu achten (wenn man in der Partnerschaft dazu neigte, nur an sich zu denken)
Wann ist professionelle Hilfe nötig?
Wenn,
- man Selbstmordgedanken hat und genau überlegt, wie man sie umsetzen kann
- man seinen Alltagspflichten nicht mehr nachkommen kann
- man sich körperlich vernachlässigt (nicht mehr isst, Hygiene vernachlässigt)
- man länger als vier Wochen zu Tabletten greift; wenn man täglich zu Alkohol greift
- man sich von Freunden abschottet.
An wen wendet man sich?
- an eine Ehe- und Familienberatungsstelle
- an die Pro Familia
- an einen psychologischen Psychotherapeuten