an0N_1296734999z"Hallo an Euch.."
Hallo Anglina,
ich schreibe selten hier, lese aber viel mit und Deine Geschichte macht wirklich betroffen. Auch ich habe mich in einer Situation befunden, wo ich mich für andere verantwortlich fühlte, teils auch mit dem Hintergrund Alkoholabhängigkeit, aber auch auf Beziehungsebene und man kann nur sagen: keiner muß in einer solchen Situation verharren, man kann immer etwas tun und sei es nur für sich selbst! Das ist mir sehr schwer gefallen zu begreifen und zu akzeptieren, daß mein Problem nicht der Alkoholiker ist oder der Liebespartner, der nicht so recht will, sondern ich selbst, weil ich in der Situation verharre und nichts für mich tue. Etwas für sich tun, heißt nicht egoistisch sein und den anderen im Stich lassen, sondern seine Perspektive zu wechseln und sich von der Fixierung auf Probleme anderer zu lösen.
Ganz praktisch heißt das: so lange Du zum Beispiel noch zu Hause wohnst, kannst Du Dich mit Deiner Mutter zusammen als ersten Schritt einer Gruppe von Angehörigen von Alkoholikern anschließen. Ich bin damals zu Alanon gegangen, das ist die Angehörigengruppe der Anonymen Alkoholiker. Das hat mich nach einer sehr langen Anlaufzeit und einem harten Prozeß der Selbstfindung aus einem großen inneren Loch befreit. Diese Gruppen gibt es in jeder Stadt, in jedem Landkreis und in vielen Gemeinden. Man findet sie über Zeitungsinserate bei Selbsthilfegruppen oder im Internet. Wenn Deine Mutter nicht mitgehen will, gehe alleine hin. Der Wille sich selbst zu helfen, kann nicht aufgezwungen werden, doch wer den Schritt einmal wagt und sich eingesteht, daß er selbst etwas tun kann und den Dingen durchaus nicht hilflos ausgeliefert ist, hat schon halb gewonnen!
Mir hat das stärker geholfen als eine Therapie, denn dort ist alles anonym, es werden keine Ratschläge gegeben oder Vorschriften gemacht, jeder kann sich so viel äußern oder auch erst einmal nur zuhören wie er denkt, daß er es verkraftet und man arbeitet gemeinsam an den sogenannten 12 Schritten des AA Programms, das einem so nach und nach verblüffende Einsichten über sich und seine verhaltensmuster verschafft. Oft hilft der Schritt der Angehörigen zu Alanon auch dem Alkoholiker zur Einsicht, daß er Hilfe braucht oder zumindest ein Problem hat, denn eine Sache, die ihn deckt und die Co-Abhängigkeit verstärkt und verlängert ist das Bestreben, ja nichts von dem Problem nach außen dringen zu lassen und sei es auch nur anonym. Mein Freund war sehr schockiert, als ich ihm sagte, daß ich in eine Angehörigengruppe für Alkoholiker gehe, denn das zeigte ihm, daß ich ihn wirklich dafür hielt, auch wenn er es sich selbst nicht eingestehen wollte. Er hat ein Jahr darauf eine Therapie gemacht, hat es allerdings mit Nachsorge und eigener Mitarbeit bei den AA nicht so streng durchgehalten. Das Problem hat sich sehr verringert, ist aber noch latent vorhanden. Für mich hat sich allerdings ein Ablöseprozeß ergeben, der wohl demnächst in einer Trennung münden wird, das muß aber nicht so ausgehen. Für mich ist nur wichtig, daß ich mich von diesem Problem gelöst habe und es ihm überlassen kann, wie er damit umgeht. Das war ein langer Weg. Mir geht es heute viel besser, aber auch für mich gibt es Rückfälle aller Art, so wie es auch die Alkoholoker erleben, denn auch Co-Abhängigkeit ist eine Krankheit und sehr oft eben eine Familienkrankheit!
Entschuldige den langen Text, aber manchmal kommen durch solche Berichte die Dinge wieder hoch.
Heilige1