Nach langem Single-Dasein habe ich vor einigen Monaten eine Mann kennengelernt, einen Kollegen, mit dem ich hier und da zu tun habe. Als wir im Juni das erste Mal miteinander zu tun hatten, war gleich 'etwas da'. Da wir beide lange überzeugte Singles waren, und beide etwas zurückhaltend sind, ging es nur sehr langsam vorwärts, aber das es vorwärts geht war immer ziemlich klar, und es war auch immer klar, dass wir uns sehr zueinander hingezogen fühlen.
Aber vor einigen Wochen kam er zu der Entscheidung, dass er nun doch keine Beziehung möchte. Die 'offiziellen' Gründe dafür sind, dass er (so sagt er) nicht genügend emotionalen Ressourcen für eine Beziehung hat, und er deshalb das Ende schon absehen kann, und das das Ende einer Beziehung generell so übel abläuft, dass er das sich und mir ersparen möchte. Er möchte gerne, wenn mir das möglich ist, dass wir Freunde sind, denn in Freundschaften ist er gut, in Beziehungen schlecht, ich würde also nur 'das Beste' von ihm bekommen.
So weit so gut, immerhin eine klare Ansage. Ich habe mich dann entschieden, es erstmal so auf Freundschaftsbasis weiterlaufen zu lassen (zugegeben, mit der Hoffnung im Hinterkopf, dass vielleicht irgendwann mehr daraus wird). Seine Signale, seit wir uns auf dieser Basis geeinigt haben, sind jedoch total anders.
Er taucht täglich in einem Büro auf unter irgendeinem Grund (meistens etwas, was man auch mit einem Anruf oder einer Email erledigen könnte, und wir arbeiten nicht im selben Gebäude), und wir unterhalten uns dann noch ewig. Oder er lädt mich auf einen Kaffee bei der Arbeit ein, oder wir gehen abends aus. Er lässt nie zu, dass ich bezahle. Wenn wir geschäftlich emailen, entspinnt sich daraus ein langer Faden an Emails die hin und her gehen. Wir emailen und SMS'n privat. Wenn wir zusammen etwa unternehmen, sagt er immer, er hätte nicht viel Zeit, und dann trennen wir uns doch erst nach mehreren Stunden, in denen uns der Gesprächsstoff nie ausgeht. Weil ich für ein paar Wochen verreise, hat er mich für nächste Woche zu einem 'champagne dinner' in ein sündhaft teueres Restaurant eingeladen. Betont aber immer wieder, wir wären nur Freunde.
Er fühlt sich hingezogen, er findet mich attraktiv, das 'Prickeln' ist eindeutig da, er muss sich zurückhalten, damit wir uns nicht näher kommen, das sind alles Aussagen von ihm, aber er möchte nicht mehr. Trotzdem sucht er meine Nähe mehr als es 'Freunde' tun. Meine beste Freundin sehe und höre ich deutlich weniger als ihn. Ich hab darauf geachtet: Es ist nicht so, dass ich mit ihm in Kontakt trete und er sich nicht gegen meine 'Annäherung' wehren kann. Es ist wirklich so, dass ich mich darauf verlassen kann, fast täglich von ihm zu hören oder ihn zu sehen.
Ist es wirklich so aussichtslos, das mehr daraus wird?
Wir sind beide über 40, und wie gesagt schon lange Singles. Beide haben eigentlich niemanden gesucht. Ich war immer überzeugter Single, und nicht wie so viele andere auf verzweifelter Suche; das hier hat mich sozusagen aus heiterem Himmel getroffen, aber ich habe es als Geschenk angenommen, dass mir, die ich damit gar nicht gerechnet habe, so etwas passiert. Und ich bin sicher, dass die Gefühle, die ich für ihn entwickelt, habe, auf Gegenseitigkeit beruhen. Er sagt sie sind da, ist sich aber nicht sicher, ob er sich auf Dauer aufrecht erhalten kann. Ich kann einfach nicht verstehen, dass man Gefühle für jemanden haben kann, aber mit dem Verstand alles Weitere ausschließt, für den Fall, dass es schief geht.