Hallo,
Ich bin neue hier und habe bisher noch nie einen Beitrag über Erlebnisse geschrieben. Obwohl diese Sache schon etwas her ist und ich weiß daß ich nichts dagegen tun kann, kommen die Erinnerungen dennoch immer wieder hoch. Also erhoffe ich mir, indem ich meine Geschichte hier mit euch teile, daß mir das ein wenig Linderung verschafft.
Wie der Titel schon sagt geht es um eine frühere Freundin. Kennengelernt habe ich sie vor einigen Jahren, als sie von Kanada nach Deutschland zog. Wir mochten uns auf anhieb, wohnten als 2er WG zusammen. 3 Wochen nach ihrer Ankunft lernte sie ihren Freund kennen. Zurückhaltend und skeptisch wie ich nun einmal bin, war ich sehr zurückhaltend, zumal sie schon nach einer Woche quasi nur noch bei ihm übernachtete und ihre Sachen bei ihm ließ. Mich störte, daß sie immer so beziehungsfixiert war, quasi nie Single gewesen ist, nur von ihm redete usw. Mir fiel auch auf, daß er immer ein wenig genervt von ihr schien. Stets hatte ich infolge seiner Körpersprache das Gefühl, daß er sie ein wenig für dumm hält. Und das mochte ich als Freundin von ihr nicht.
Nach 6 Monaten trennten sich die beiden für einige Wochen. Zu dem Zeitpunkt erfuhr ich dann einige DInge über ihn, die mein mulmiges Gefühl, was ich von Anfang an hatte, bestätigte: sie erzählte, daß er ihr einmal offen gestanden hatte, Sexfantasien von mir und einer anderen Freundin zu hegen und daß er zu einem Zeitpunkt in seinem Leben so ein niedriges Selbstwertgefühl hatte, daß er als heterosexueller Mann in Schwulenclubs ging, um sich vergewaltigen zu lassen, daß er als Kind von seiner Mutter geshlagen wurde, etc. Das war schon ein ziemlicher Schock und ich fragte mich was sie denn mit so einem Kerl wolle.
Nach einigen Wochen kamen sie wieder zusammen, was mir sehr gegen den Strich ging. Aber mei, ich konnte ihr ja keine Vorschriften machen.
Nach einem Jahr zogen sie zusammen und irgendwann pendelte sich alles wieder ein und ich dachte alles wäre im Lot. Wir verstanden uns alle wieder, hatten schöne Abende unter Freunden mit guten Gesprächen usw. 2 Jahre ging das.
Letztes Jahr ging es mir aus beruflichen und persönlichen Gründen sehr schlecht. Sie war für 2 Wochen beruflich unterwegs und nicht in der Stadt. Da er nach 3 Jahren immer noch kein Deutsch sprach (er ist Engländer) und er nicht gerade viele Freunde hatte, lud ich ihn mit 2 anderen Freundinnen zum Frühstück in der Stadt ein. Seine Freundin wußte darüber bescheid. Danach gingen wir an den Fluß und ich kotzte mich über meine Probleme aus, während die beiden Mädels schwimmen gingen (eines der Mädels war die über die er fantasiert hatte).
Er spielte ab und zu an meinen sehr langen Haarspitzen, was ich schon sehr seltsam fand, ignorierte es aber, um weiter von meinen Problemen zu reden.
Dann geschah etwas, womit ich im Leben nie gerechnet hatte. Plötzlich kam er bis auf wenige Zentimeter an mein Gesicht, packte mich am Kopf und sagte "Küß mich!". Ich verfiel irgendwie in eine Art Schockstarre, wußte nicht was ich sagen oder tun sollte. Ich sagte verschüchtert "Nein". Dann packte er mich wieder, küßte meine Wange, meinen Hals, meine Schulter. Es ging alles sehr schnell. Ich drehte mein Gesicht zur Seite und sagte etwas energischer "Nein, ich will das nicht". Dann ließ er los und wir unterhielten uns als ob nichts gewesen wäre.
Die Mädels kamen zurück und merkten dass etwas komisch war. Sie gingen nachhause und wir beide schlenderten den Rest des Nachmittages durch die Gegend. Ich entschied mich bewusst dafür, weil ich ihn konfrontieren wollte. Weil ich aber Angst hatte, etwas falsch verstanden oder überreagiert zu haben, dauerte es viele Stunden bis ich meinen Mut zusammennehmen konnte. Bei den Unterhaltungen überkam mich das Gefühl, als ob er sie nötig hatte, weil er sich nicht mit seiner Partnerin darüber unterhalten konnte. Sie ist eben ein etwas oberflächlicher Mensch, der den Dingen nicht wirklich auf den Grund geht oder die hinterfragt, sondern immer nur die rosarote naive Seite der Dinge sieht und kaum etwas über Geschichte und Politik weiß wie er.
Als ich ihn auf die Aktion ansprach, war er total ausweichend, sagte es habe nichts mit seiner Freundin zu tun, es sei doch nichts schlimmes. War sehr seltsam das zu hören weil ich immer dachte die beiden wären so perfekt glücklich miteinander. Dann sagte er, daß er mich seit 3 Jahren toll fände, ich immer in seinem Hinterkopf war, ich attraktiv wäre. Das war echt zuviel. Wäre es nur bei dem Annäherungsversuch geblieben... ok. Aber das, war mir eine Stufe zu krass. Ich sagte daß er unbedingt mit seinen Gefühlen ins Reine kommen muß und mit seiner Freundin reden soll. Dann veränderte er sich vollkommen und fragte ob ich ihm drohe usw. Ich beschwichtigte ihn und dann ging jeder nach Hause.
Ich überlegte mir gut ob ich ihr das sagen sollte, da ich fürchtete, die Freundschaft könne daran zerbrechen. Ich tat es dennoch als sie wieder da war, da ich es sonst mit meinem Gewissen als Freundin nicht vereinbaren konnte. Sie war völlig aufgelöst und konnte nicht verstehen warum, da doch alles "perfekt" lief, gestand aber ein, daß er ein manipulativer Mensch sei.
Am selben Abend redete sie mit ihm, was ich dadurch herausfand, daß er mir eine SMS schrieb, in der er mir drohte, mich hoffentlich nie wiederzusehen, weil er mir sonst die Zähne ausschlagen würde. Und das aus dem Mund eines 36 Jahre alten Mannes.
Danach hörte ich nichts mehr von ihr. Nach 3 Monaten fragte ich nach, sie behauptete einen Brief geschrieben zu haben. Den bekam ich erst nach mehrmaligen Nachfragen. Als ich ihn bekam, stand die Reaktion drin, mit der ich gerechnet hatte: sie kündigte mir die Freundschaft, behauptete daß ich ihn nie gemocht habe (was nicht ganz stimmte), nie seine guten Seiten gesehen hätte, er mir gegenüber immer höflich gewesen sei und ich mich nicht wie eine Freundin verhalten hätte. Ich hätte die Situation bewußt gegen ihn ausspielen wollen um zu beweisen, daß ihre Beziehung nicht aufrichtig ist, er vor ihr seit langem etwas geheim hält.
Sie sagte er sei so geistesgegenwärtig gewesen ihr alles zu gestehen. Naja, ich habe es ihr erzählt also belügt sie sich da selbst. Er hätte es verschwiegen, das weiß ich. Er wollte nicht daß ich ihr es sage. Allerdings erklärte sie mir nicht wirklich warum sie den Kontakt abbricht. Ich schrieb ihr einen höflichen Brief zurück in dem ich die Vorwürfe zurückwies, die ich für unbegründet hielt und ihr sagte daß ich ihre Entscheidung respektiere.
Zwei Monate später machte er ihr einen Heiratsantrag. Kurz danach zog sie ohne ein Wort zu sagen in eine andere Stadt, was mich unheimlich verletzte.
6 Monate später, ca. 5 Monate vor der Hochzeit, kam eine Anfrage über LinkedIn von IHM! Sehr seltsam, da er in einem vollkommen anderem Berufsfeld arbeitet und ich niemals Kontaktvorschläge aus anderen Branchen erhalten habe. Ich blockte ihn sofort und schrieb ihm aber eine Email, in dem ich ihn aufrief damit aufzuhören, aus Rücksicht auf seine Zukünftige. Er sagte, er sei es nicht gewesen, das System sei automatisch alle seine Kontakte durchgegangen. Blablabla dachte ich nur. Irgendwie das selbe Schema, da ich wußte, daß sie zu dem Zeitpunkt mehrere Wochen nicht bei ihm war. Erzählt habe ich es ihr nicht.
Tja, und jetzt haben sie vor 2 Monaten geheiratet.
Diese ganze Sache, sein Annäherungsversuch und was daraus resultierte, vor allem ihre Reaktionen als Freundin, die die Lüge des perfekten Mannes aufrechterhalten will, haben mich unglaublich aus der Bahn geworfen und verletzt. Daß einer versucht mich ohne mein Einverständnis zu küssen, war eine absolut krasse Grenzüberschreitung. Auf männliche Nähe habe ich schon immer empfindlich reagiert.
Bis zum heutigen Tage fällt es mir schwer zu verstehen, warum alles so abgelaufen ist, daß sie eher zu ihm gehalten hat und mich als Freundin so schnell und eiskalt abgeschossen hat. Ich weiß daß sie eine total kitschige, naiv-romantische Vorstellung des Lebens bzw. der Liebe hat und ihren Freund absolut idealisiert. Das soll jetzt nicht so klingen als hätten wir uns nie verstanden oder alles an ihr hätte mich gestört. Obwohl wir in vielen Punkten sehr verschieden waren, schätzte ich sie dennoch sehr für ihre positive Art.
Ich hatte das Gefühl daß sie mich dafür bestraft, daß ich diese "perfekte Lebenslüge" aufgedeckt und ihren Kerl als nicht so bilderbuchhaft entlarvt habe. Durch dieses Ereignis, dachte ich daß er sich eigentlich seit 3 Jahren, seit den Sexfantasien, nicht geändert hat und mich mein Gefühl nicht getäuscht hat, daß mit ihm etwas nicht stimmt. Bei unserer Unterhaltung erzählte er auch von seiner gewalttätigen Mutter und von seinen Reaktionen und ich sah, was für ein psychisches (nicht physisches) manipulatives Gewaltpotential in ihm steckt. Außerdem fühlte ich, daß er zutiefst traumatisiert ist davon und das total verdrängt.
Irgendwie hege ich die Angst und böse Vorahnung, daß er sie in Zukunft betrügen wird.
Und nein, es soll keiner denken daß ich heimlich in ihn verliebt war oder so. Für den Typen habe ich nie und werde nie so etwas wie Anziehung, geschweige denn Gefühle empfinden.
Aber ich kann jetzt absolut nichts mehr machen. Ich habe alles getan was in meiner Macht stand, diese Situation zu regeln. Und es macht mich fertig daß diese Sache mich immer wieder heimsucht. Ich will begreifen weßhalb alles so passiert ist. Ob ich etwas falsch gemacht habe, ob ich etwas falsch betrachte und vor allem begreifen, warum es mich so fertigmacht, daß es mir schwer fällt, den beiden zu verzeihen. Ich habe u.a. auch mit einem Therapeuten darüber geredet als ich wegen einer anderen Sache in Therapie war und er meinte, meine Beobachtungen und Analysen ihm gegenüber seien recht plausibel.
Puh, ein viel zu langer Text... sorry!!!
Bitte teilt mir eure Meinungen und Gedanken mit, das würde mir sehr helfen..
Danke