Manchmal denke ich, ich bin der schlechteste Mensch auf der Welt. Meine Strafe ist wohl, dass ich immer daran denken muss und immer daran erinnert werde. Es ist ein Gefühl, als läge ein Stein auf meiner Brust, das Atmen fällt schwer. Ich liebe meinen Mann, ich bin ihm dankbar, dass er mir verziehen hat, ich muss wohl seine große Liebe sein, dass ihm das gelingt. Sicher, vergessen wird er es auch nie, aber ich fühle, er kann damit umgehen. Aber ich nicht, ich gehe noch kaputt an meinen Schuldgefühlen.
Nicht lange nach unserer Heirat habe ich ihn betrogen. Nicht einfach so, weil ich mal Lust drauf hatte - aber die genauen Gründe kann ich auch nicht mehr nachvollziehen - es hatte eben einfach was gefunkt mit dem Anderen und mein Verstand war ausgeschaltet. Als ich kurze Zeit darauf merkte, dass ich schwanger war, bekam ich fast einen Herzinfarkt, obwohl ich beim Sex mit dem Anderen ein Kondom benutzt hatte (aber eben nicht "von Anfang an", sprich: er war zuerst kurz "ohne drin"). Doch zu der Zeit hatte ich eben mit ihm und meinem Mann Sex. Meinem Mann hatte ich die Affäre schon vorher gebeichtet, es zerriss ihm fast das Herz. Dennoch haben wir es auf die Reihe gekriegt und sind zusammengeblieben. Trotz des Wissens, dass zu einem kleinen %Satz das Kind einen anderen Vater haben könnte, nahm er es an und ich habe nie gespürt, dass er nicht voll sein Vater sein will.
Leider ist die Affäre in meiner Firma nicht unbemerkt geblieben und so gibt es auch heute nach so vielen Jahren noch hin und wieder eine Spitze, z.B. beim Zeigen von Urlaubsfotos ("deinem Mann sieht das Kind aber nicht ähnlich"). Auch werden manchmal Diskussionen über Kuckukskinder und Betrügereien in meinem Beisein geführt, bei denen mir ganz schlecht wird und ich am liebsten im Erdboden versinken möchte. Zu allem Übel ist mit vor ein paar Jahren leider unter Alkoholeinfluss ein "Ausrutscher" passiert (bitte, liebe Moralverfechter - ich lieg doch schon am Boden...). Voller Angst beichtete ich auch dies, zumal der Ausrutsch-Partner Besitzansprüche auf mich geltend machen wollte. Es hat sehr lange gedauert, bis mein Mann mich wieder in den Arm nehmen konnte - ein Wunder, dass er mich nicht rausgeschmissen hat. Ich bin ihm unendlich dankbar und habe seither mein Leben völlig geändert - früher hab ich herumgeflirtet, wo ich konnte, aber jetzt bin ich wohl an dem Punkt angekommen, wo ich weiß: ich will das nicht mehr (und diesmal würde es auch nicht mehr funktioníeren). Wenn ich nicht gerade zur Arbeit bin, bin ich fast ausschließlich mit meiner Familie zusammen, keine Solotouren mehr und mir fehlt auch nix!!!
Monate nachdem mir das letztere "passiert" ist, steckte ein fieser Zettel an meinem Fahrzeug, ich würde beobachtet und solle mich gefälligst zusammenreißen, es wäre widerlich wie ich mit dem Arsch wackele und solche Sachen. Natürlich mit Computerschrift - ich war fix und fertig. Ein paar Tage später der zweite Brief. Dann kam erst mal nix mehr und ich atmete auf. Doch dann lag einer zu Hause in meinem Briefkasten, mit einem Kondom drin und der Frage, ob mein Mann Bescheid wüsste. Da hat es mich von den Füßen gehauen - wenn das meine Kinder in die Hände gekriegt hätten!!! Ich habe wohl eine Vermutung, wer der Schreiber ist, aber es könnte auch jeder andere sein und ich arbeite in einer Riesenfirma. Der Gedanke, dass ich demjenigen vermutlich täglich bei der Arbeit ins Gesicht lächele, macht mich fast wahnsinnig. Die Briefchen haben aufgehört, meine Ängste nicht.
Ich habe eine Riesenangst, dass meinem Kind mal ein anonymer Brief zugeschickt wird und seine Welt aus den Fugen gerät (obwohl da nix bewiesen ist). Ich schaue es auch immer an und finde auch Ähnlichkeiten mit meinem Mann, es könnte aber auch anders sein. Einen Test lehnt mein Mann ab, es soll so bleiben, wie es ist. Ich weiß nicht, wo er diese Größe hernimmt.
Manchmal möchte ich tot sein.