Sicht von der anderen Seite
Ich kann da ganz gut beide Seiten verstehen. Zum einen würde ich niemals den abwartenden Part spielen oder von meinem Partner den abwartenden Part verlangen. Der andere hat genauso das Recht eine Absolution zu erlassen wie man selbst. Ich kann doch nicht allen Ernstes meinen langjährigen Partner bitten, so lange auf Standby zu bleiben, bis sich meine Hormone vielleicht wieder berappelt haben, oder eben nicht?!
Da es bei mir (M) aber in Teilen vergleichbere Momente gab und gibt, wollte ich vielleicht noch richtig stellen, dass es nicht immer nur die erste blinde Verliebtheit sein muss, die einem die Sicht auf all das Erarbeitete und Erreichte mit Familie, Haus und alle Werten und Ideale nimmt.
Auch ich kämpfe in unserer seit Jahren partnerschaftlich völlig abgestumpften Ehe gegen die Liebe zu einer anderen Frau und diese Konstellation hat lange, sehr lange schon ihre "Schmetterlingsphase" überwunden. In Summe haben ich hunderte Tage in den letzten Jahren mit den Gedanken verbracht, was ich verlieren würde, was ich vielleicht in einer überhaupt nicht so gewollten Form gewinnen würde, warum ich mit meinen gegesätzlichen Idealen zu dieser Situation so im Regen stehe. Dass ich all das habe was ich im Leben wollte, und dass ich das jetzt für einen anderen Menschen aufgeben würde, wenn ich denn.
Die rationale Stimme sagt dann: "Das ist genau so ne Frau wie Deine, es geht Dir doch nur nach 20 Jahren um Abwechslung. Nach einiger Zeit ist es durch und Dir fällt auf, was Du liegengelassen hast. Hau lieber mal ein Wochenende auf die Kacke, komm heim und berappel Dich wieder, dann passt das alles wieder ins Lot".
Die irrationale Stimme erwidert: "Du lebst nur einmal und dieses Leben ist (bei mir mit 39) ca. halb rum. Willst Du immer allem Verlangen widerstehen? Willst Du weiter kreuzunglücklich in einer Ehe festsitzen, nur damit Du Deinen Idealen und Wertvorstellungen entsprichst? Irgendwann ist's zu Ende und für die konsequente Auslebung dieser lobenswerten und ehetauglichen Ideale bekommst Du hinterher von niemandem auf die Schulter geklopft. Mach was Deine Gefühle sagen, probier was neues, mach es wie ein Fußballprofi, irgendwann ist mal Zeit für ein neues Stück Leben."
Ich kann nicht sagen, welcher Weg mich glücklich machen wird, ich weiß nicht, welchen ich einschlagen werde, ich weiß nur, dass, wie oben schon mal steht "vorsätzlich entlieben" von fast unmöglich ist. Vor allem dann, wenn es in der eigenen Beziehung nur noch wenige Anker gibt, die einen halten. Bei mir sind das Gott sei Dank noch meine 2 Kinder, die ich im Leben nicht enttäuschen wollen würde, zumal sie die "andere" ebenfalls gut kennen und wohl aus allem Wolken fallen würden, wenn sich das Blatt dahingehend wenden würde.
Das alles ist also nicht nur für die Frau eine ScheiB-Sache, sondern auch für den Mann. Hätte ich die Wahl, wäre ich glücklich mit meiner Familie und die "andere" wäre mir kotz-unsympatisch. Ich hab aber keine Wahl und sie ist mir nunmal eben alles andere als kotz-unsympatisch. Mit "hach, einfach mal was neues ausprobieren, mal sehen ob's klappt" oder "ich will endlich mal mit ner anderen in die Kiste" hat das rein gar nichts zu tun.