Hallo ihr Lieben.
Ich muss mir das hier mal von der Seele schreiben, weil ich es nicht ertrage, es weiter in mich hineinzufressen.
Es geht um meinen Freund, und mich. Wir sind beide Mitte 20, sind seit 6 Monaten (noch recht frisch) zusammen. Wir führen eine Fernbeziehung über ca. 700km und sehen uns ca. ein Mal im Monat. Er steht bereits im Berufsleben, ich studiere noch ein paar gute Jahre Perspektive für ein Zusammenleben und Zusammenleben gibt es aber innerhalb der nächsten zwei Jahre erstmal nicht, da uns Studium und Job jeweils an unseren aktuellen Standort binden und ein Standortwechsel für uns beide zur Zeit nicht möglich ist.
Da wir aber beide schon über längere Zeiträume früher mal Fernbeziehungen hatten, und demnach wissen, was gerade bei der Liebe auf Distanz wichtig ist, und was sie schwierig machen kann, klappt es bisher auch ganz gut. Uns verbindet eben eine Menge besonderer Dinge, unsere Beziehung ist erfüllt und ausgeglichen, und wir sind beide der Meinung, beieinander angekommen zu sein (soweit man das nach so kurzer Zeit beurteilen kann, aber angeblich weiß man so was ja meist von Anfang an).
Das Problem?
Es geht um seine Eltern. Sie telefonieren wirklich jeden Tag, er hat gerade zu seiner Mutter ein extrem enges Verhältnis, vertraut ihr alles an, redet über allerlei Sorgen zuallererst mit ihr, sie reden über Leben, Liebe, Sex was weiß ich. Bevor ich von seinen Sorgen erfahre, haben sie da schon 20x drüber gesprochen. Man muss dazu sagen, dass seine Eltern in Südamerika leben, er aber bereits seit 8 Jahren in Deutschland (zog zum Studium hierher und blieb auch zum Arbeiten). Sie sehen sich ca. 2x im Jahr, sie kommen einmal hierher, er fährt einmal dorthin. Der Kontakt ist also zwangsläufig aufs Telefonieren begrenzt. Bekannte hat er zwar viele, auch gute, langjährige Freunde in Deutschland, mit denen er aber nur sehr selten Kontakt hat, da er mit seinem anstrengenden Job und seiner Promotion nebenbei voll ausgelastet ist und auch an seinem neuen Berufsstandort noch kaum Anschluss gefunden hat. Seine Bezugspersonen sind seine Eltern und seit kurzem eben ich.
Vielleicht sollte an dieser Stelle noch angeführt werden, dass er Einzelkind ist. Ich habe die Eltern bereits kennen gelernt, wir verstehen uns super und sie sind unglaublich herzlich und freundlich.
Nun ja, vor kurzem kam mein Freund ins Krankenhaus, musste spontan operiert werden. Es war nichts Ernsthaftes, Routineoperation mit sehr guten und sehr schnellen Heilungsaussichten, aber es musste eben schnell gehen.
Als seine Eltern von der anstehenden Operation erfuhren, beantragte sein Vater von einer Minute auf die andere einen Sonderurlaub von der Arbeit, stieg in den Flieger, flog über den Ozean und bleibt jetzt ca. 8 Wochen bei seinem Sohn seine Mutter konnte berufstechnisch nicht weg und blieb daheim. Ich habe mir in der Operationswoche ebenso freigenommen und meinen Freund besucht. Sein Vater kam zeitlich etwas später als ich. Er hielt ihm ständig die Hand, streichelte ihn, verbrachte den ganzen Tag mit mir bei ihm im Krankenhaus, redete ständig davon, wie wichtig es ihm ist, für seinen Sohn da zu seinAls wir nach gut verlaufener OP wieder daheim bei ihm in seiner Wohnung waren, schaute sein Vater 10x täglich bei meinem Freund ins Bad und ins Schlafzimmer, und fragte, ob alles in Ordnung ist. Er kochte für uns, räumte auf, umsorgte uns wirklich liebevoll, behandelte mich auch sehr gut und sagte mir immer und immer wieder, wie froh er ist, dass mein Freund und ich uns gefunden habenaber dass ich doch endlich mal zusehen sollte, dass ich meinen Lebensmittelpunkt in die Stadt meines Freundes verlagere
Nun ja bald ist Weihnachten und Neujahr, und er fliegt zu seiner Familie. Vorher können wir uns nur ein Mal sehen in Anwesenheit seines Vaters natürlich, der ist immer noch da. Wirklich Zeit für uns beide hatten wir schon seit fast 2 Monaten nicht mehr (Zeit, die ohnehin knapp ist.)
Vorhin riefen unsere gemeinsamen Freunde aus Süditalien an, und fragten uns, ob wir Lust hätten, über Ostern in ihr Ferienhaus zu fahren. Mein Freund sagte nur, seine Eltern kämen höchstwahrscheinlich über Ostern nach Deutschland. Und das ginge dann nichtihnen würde es hier ja so sehr gefallenund es wäre ja so schön, wenn seine Eltern da wären, und er immer so traurig, wenn sie wegfahren
Ich weiß, angesichts der Tatsache, dass so viele Tausend Kilometer sie trennen erscheint mein Beitrag vielleicht verrücktaber ist dieser Mann überhaupt ein Mann? Oder ein Mama-Papa-Söhnchen, der einfach nicht von seinen Eltern wegkommt? Oder reagiere ich aus Selbstsucht total über?
Natürlich ist es schön, dass sein Vater sich extra Urlaub nimmt, auch wenn die ganze Angelegenheit alles andere als dramatisch war aber scheinbar war er der Meinung, er muss wochenlang für seinen Sohn da sein, und allein meine Anwesenheit über ca. 1 Woche (länger konnte ich nicht bleiben) und meine Fürsorge nicht genug sind. Zumal er ja auch nach der OP sofort auch alleine klargekommen wäre, nicht mal auf Hilfe angewiesen war. Irgendwie hat mich das sehr gekränkt. Ich habe meinem Freund davon erzählter meinte nur, ich solle das nicht so eng sehen, so seien seine Eltern nun mal, sie meinten es nicht böse aber würden auch mich sehr, sehr mögen und akzeptieren...aber diese Fürsorge müsste ich eben akzeptieren.
Er hat meine Eltern erst ein Mal über ein Wochenende gesehen, in meinem Elternhaus (sie leben auch in Deutschland, allerdings nicht da, wo ich studiere). Wir hatten zu der Zeit viel Stress in der Familie, da mein Großvater gerade verstorben war und wir mitten im Umzug steckten. Meine Eltern verbrachten dennoch viel Zeit mit uns, und bemühten sich, dass es meinem Freund bei uns gut geht. Dennoch sind sie in ihrer Art eher ein wenig kühler höflich, aber auch eher sachlich und nicht gerade überherzlich. Mein Freund fühlte sich das ganze Wochenende über extrem unwohl, hatte das Gefühl, nicht willkommen zu sein und war irgendwie erleichtert, als er wieder nach Hause fuhr. Später gab er zu, überreagiert zu haben.
Nun ja, was taten meine Eltern bei seiner OP? Sie haben ihn einmal kurz danach angerufen und herzliche Grüße und gute Besserung ausgerichtet das wars. Normal, wie ich finde. Meine Eltern haben mich und meine Geschwister zu sehr unabhängigen Menschen erzogen. Wir machen unser eigenes Ding, treffen unsere eigenen Entscheidungen, haben unser eigenes, elternunabhängiges Leben. Wir haben allesamt ein gutes Verhältnis zueinander - aber wenn ich Sorgen habe, spreche ich darüber in allererster Linie mit meinem Freund und guten Freunden. Meine Familie ist mir wichtig - aber nun stehe ich auf eigenen Füßen. Und wirklich öfter als 2-3x im Jahr sehe ich meine Eltern auch nicht.
Ich liebe diesen Mann. Was ich für ihn empfinde ist einzigartig, ich habe wirklich das Gefühl, angekommen zu sein. Meine letzte Beziehung ging vor ca. einem Jahr in die Brüche, Fernbeziehung ohne Perspektive, verschiedene Zukunftsvorstellungen etc. UND seine ewige Mamagebundenheit. Mama muss mit zum Shoppen, Mama plant unsere gemeinsame Skandinavien-Rundreise, Mama redet stundenlang mit ihm über seine Studienarbeiten
Und was erlebe ich jetzt? Irgendwie schlagen bei mir langsam so einige AlarmglockenIch weiß, die Zeiten haben sich geändert, niemand denkt heutzutage nach so kurzer Zeit und noch nicht gefestigten Zukunftsaussichten schon an eine gemeinsame Lebensführung. Aber ich möchte, dass er ES ist. Ich weiß, Beziehungen bestehen aus Kompromissen. Ich bin immerhin mit ihm zusammen, nicht mit seinen Eltern. Dasselbe hat er auch gesagt. Aber ich möchte kein Mama- und Papasöhnchen und später mal ewigen Krach mit den Schwiegereltern, die von ihrem Sohn nicht loslassen können, und evtl. sogar unsere Beziehung beeinflussen.
Vielleicht lief auch in meiner eigenen Kindheit etwas schief, und ich weiß gar nicht, was eine "normale" Familie ist.
Ich bin mir sicher, dass ihr das als Außenstehende besser beurteilen könnt. Hier also mein Hilferuf an euch.
Liebe Grüße