Ich weiß
schon, dass nicht nur meine Landsleute gastfreundlich sind. Ich kenne auch gastfreundliche Deutsche - aber eben auch welche, auf die das gar nicht zutrifft.
Was du im nächsten Absatz beschreibst, ist bei uns schon öfters der Fall. Es gibt viele großzügige Menschen, die ihre Verwandten und Freunde gerne verwöhnen. Umgekehrt erwarten sie von ihnen aber irgendwann dasselbe. Ich persönlich finde das nicht schlimm. Wenn ich mir z. B. vorstelle, dass mich jemand beim Weggehen schon 3x auf ein Getränk eingeladen hat, dann spendiere ich ihm selbstverständlich auch was. Sonst hätte ich ein schlechtes Gewissen. Ich würde mich schämen, immer wieder von derselben Person eine Einladung anzunehmen und mich niemals zu revanchieren.
Genau das ist mir nämlich umgekehrt passiert. Als Schülerin in der Oberstufe hatte ich 2 Freundinnen, Töchter aus wohlhabendem Elternhaus, die wesentlich mehr Geld zur Verfügung hatten als ich. Trotzdem habe ich sie immer mal wieder eingeladen, sie mich aber nie. Zuerst habe ich gedacht, das würde schon noch werden, wenn ich ihnen eine Weile Großzügigkeit vorlebte. Die Jahre vergingen, es änderte sich nichts. Das hat mir sehr weh getan, und ich fühlte mich im Laufe der Zeit von ihnen ausgenutzt.
Als ich sie mal offen darauf angesprochen habe, waren sie beleidigt und haben mir sofort die Freundschaft gekündigt.
Über meinen Freund kann ich mich nicht beschweren, er tut ebenso gerne was für mich wie ich für ihn. Vor unserer Beziehung habe ich einen Mann gedatet, den ich nach 5 oder 6 Treffen nicht mehr sehen wollte. Dieser Mann war so ähnlich drauf wie diese beiden Freundinnen, hat sich trotz höherem Verdienst mehrmals von mir einladen lassen, sich aber nicht revanchiert.
Mir ist schon lange aufgefallen, dass viele Menschen hier in Deutschland große Probleme mit Erwartungen haben. Warum eigentlich? Was ist so schlimm daran, mal jemand anderem zuliebe etwas zu tun (wenn es keine allzu große Sache ist)? Ich habe kein Problem damit, die Erwartungen meiner Mitmenschen zu erfüllen, solange es sich nicht um kriminelle Handlungen dreht und es nicht um Ereignisse geht, die mein komplettes Leben auf den Kopf stellen. Ich würde mir z. B. nicht vorschreiben lassen, welchen Beruf ich ausübe oder mit welchem Mann ich mein Leben verbringe.
Aber warum diese Weigerung, jemanden auf eine Kleinigkeit einzuladen, wenn es diesem Menschen sehr viel bedeutet? Z. B. kann ich gar nichts mit dem Muttertag anfangen, den finde ich überflüssig wie Kropf. Trotzdem verbringe ich diesen Tag mit meiner Mutter, weil IHR das wichtig ist. Ich brech mir damit keinen Zacken aus der Krone, ist doch nur einer von 365 Tagen im Jahr!