Manchmal finde ich meine missliche Lage so erdrückend, dass ich im Internet um Rat suche und die Google-Suchmaschine in Bewegung setze. Ich bin jetzt 24 und war niemals mit einer Frau zusammen. Das belastet mich jedoch nicht so sehr. Dazu unten mehr. Ich wollte wissen, wie andere Menschen in einer ähnlichen Situation mit dieser Tatsache umgehen. Als einen der obersten Suchbegriffe gab mir Google den folgenden etwas älteren Beitrag in diesem Forum zurück:
http://forum.gofeminin.de/forum/f98/\_\_f549\_f98-Mit-23-ohne-Beziehungserfahrung.html
Neben weiteren las ich dieses Thema. Nun gestehe ich unumwunden zu, dass auch mich meine vollständige Beziehungslosigkeit des Öfteren ziemlich belastet. Dabei erlebe ich das vollständige Gefühlsspektrum: Wut, Trauer, Selbsthass, Angst und manchmal fühle ich nichts. Ich wendete viel Kraft und Zeit auf, um meinem Problem auf den Grund zu gehen. Ich beschloss, mich in diesem Forum anzumelden, um ein paar Gedanken anzusprechen, die ich bisher nicht in diesem Zusammenhang in einem Forum oder dergleichen fand. Es sind drei Gesichtspunkte, die ich zur Diskussion stelle.
1. Ich glaube, dieses Thema treibt viele Menschen (und ausdrücklich auch mich) in den Wahnsinn, weil es sich dabei um ein Henne-Ei-Problem handelt:
Ich finde keine Frau, weil ich daran glaube, dass ich keine Frau finden werde. UND
Ich glaube daran, dass ich keine Frau finden werde, weil ich bisher keine Frau fand.
Dieses Wechselspiel in Form dieses Henne-Ei-Problems trage ich seit geraumer Zeit in mir. Ich weiß darauf keine Antwort. Ich bin bloß froh, dass ich deswegen nicht geisteskrank wurde. Es gelang mir bisher nicht, dieses Problem mit dem Verstand zu lösen. Mit dem menschlichen Herzen hat das freilich wenig zu schaffen. Das ist mir sehr wohl bewusst. Daher bin ich auch zurückhaltend insoweit, als eine intellektuelle Herangehensweise von Vornherein bei so einem Thema scheitern kann. Jedoch mag ich mich damit (noch) nicht abfinden, weil ich mir nur allzu im Klaren darüber bin, wie verkopft ich bin. Ich betrachte auch diese Verkopfung nicht als eine meiner Schwächen, sondern als eine meiner größten Stärken. Ob ich mit dieser Verkopfung ein erfülltes und glückliches Leben werde führen können, ist eine ganz andere Frage, um die es hier nicht geht.
2. Ich finde das, was in dem oben zitierten Beitrag geäußert wurde, extrem irreführend und wenig hilfreich. Denn ich behaupte: Es geht nicht darum, ob jemand mit dem und dem Alter mit einem anderen Menschen zusammen war und/oder mit einem anderen Menschen schlief. Ich dachte viel darüber nach und meines Erachtens geht es um etwas wesentlich Subtileres und Wichtigeres: Es geht um Macht. Bitte versteht den Begriff "Macht" nicht falsch. Ich meine damit weder politische noch wirtschaftliche Macht. Ich meine damit die Macht der menschlichen Gefühle und Fähigkeit derselben, wirkliches Erleben hervorbringen zu können. Mit "wirklichem Erleben" meine ich die Entfesselung desjenigen, wonach sich der Mensch am meisten sehnt. Dabei kann es sich nur um Lieben handeln: "Lieben ist ein produktives Tätigsein, es impliziert, für jemanden (oder etwas) zu sorgen, ihn zu kennen, auf ihn einzugehen, ihn zu bestätigen, sich an ihm zu erfreuen - sei es ein Mensch, ein Baum, ein Bild, eine Idee. Es bedeutet ihn (sie, es) zum Leben zu erwecken, seine (ihre) Lebendigkeit zu steigern. Es ist ein Prozess, der einen erneuert und wachsen lässt." (zitiert aus Erich Fromm, Haben oder Sein) Das ist eine wunderschöne poetische Umschreibung des Liebens.
Für mich ist eine Beziehung mit einer Frau völlig uninteressant, falls ich diese Frau nicht liebe. Wie hoch ist der Preis, wenn ich mich in eine Partnerschaft begäbe, nur zum nicht alleine zu sein? Ich will von der Frau meines Herzens ob des Klangs ihres Namens verzaubert werden und in Wallung geraten, wenn ich sie auch nur schemenhaft in der Ferne erblicke. Ich möchte erleben, was es bedeutet, wirklich zu lieben. Meine Seele schreit danach, endlich zu leben und zu erleben.
3. Es dauerte Jahre, bis ich in Begriffe fassen konnte, was alle meine Handlungen dominiert: Meine primäre Angst ist die Frage, ob ich wirklich fähig bin, zu lieben. Dazu war ich bisher unfähig. Für meine Mitmenschen empfinde ich Achtung und Respekt, allerdings wäre es zu weitgehend, dies als Nächstenliebe zu bezeichnen. Das Verhältnis zu meinen Eltern war und ist überaus kühl, sodass ich auch hier wirkliches Erleben entbehre. Was die erotische Liebe betrifft, so möchte ich schon behaupten, dass ich die ein oder andere Schwärmerei für die ein oder andere Frau empfand. Jedoch das, was ich mir unter Lieben vorstelle, kenne ich nicht. Ich weiß nicht, was es bedeutet, sich zu einer Person hingezogen zu fühlen. Ich weiß nicht, was es bedeutet, ob des bloßen Hörens des Namens dieser Person in einen Zustand des Hochgefühls zu geraten. Ich weiß nicht, was es bedeutet, sich auf diese Art und Weise machtvoll zu einem Menschen hingezogen zu fühlen, beim Anblick dieser Person zu erröten und von einer Woge der Glückseligkeit erfasst zu werden, auf der ich schier unendlich zu reiten scheine.
Alle meine Gedanken und Handlungen werden von der einen Frage überlagert und beherrscht, ob ich fähig bin, wirklich einen anderen Menschen zu lieben. Ich möchte in naher Zukunft erste Schritte unternehmen, um dieser Frage auf den Grund zu gehen. Jedoch fürchte ich mich davor extrem, denn: Was mache ich, wenn ich nach und nach feststelle, ich wäre zum Lieben außerstande? Sollte sich dies bewahrheiten, wäre es mir unmöglich, den wesentlichen Teil meines menschlichen Daseins zu verwirklichen, ist es doch das, was den Menschen zum Menschen macht. Diese Erkenntnis wäre vernichtend. Sie bedeutete meinen psychischen Tod insoweit, als es mir versperrt wäre, vollends Mensch zu werden. Ich wäre ein "entmenschter" Mensch oder kürzer: ein Monster.
Im Moment befinde ich mich in einem metastabilen Zustand der Ungewissheit. Ich vermag nicht redlich zu sagen, ob ich lieben kann oder nicht. Ich weiß es schlichtweg nicht. Dieser ungewisse Zustand war bisher erträglicher als die potenzielle Gewissheit, nicht lieben zu können. Gleichwohl ist es mir überragend wichtig, den Beweis anzutreten. Was dabei herauskommen wird, kann ich nicht wissen. Dafür ist es zu früh. Jedoch werde ich mein Leben bewusst in die Hand nehmen und die Seiten des Buches meiner Lebensgeschichte eigenhändig schreiben. Was kann ich auch sonst tun?