Ich befinde mich derzeit in einer für mich psychisch sehr belastenden Situation und würde mir hier gerne ein paar neutrale Meinungen einholen.
In diesem Oktober bin ich 7 Jahre mit meinem Freund zusammen. Als wir zusammen kamen waren wir beide 19, ich war seine erste richtige Freundin, ich hatte zuvor allerdings schon drei Beziehungen. Mit Männern hatte ich nie so richtig Glück, wurde ständig belogen und betrogen und wollte diese Beziehung damals erst garnicht eingehen. Er hat sich aber sehr bemüht, und obwohl ich nicht granatenmäßig in ihn verliebt war, wie bei den Malen zuvor, dacht ich irgendwann, dass ich es einfach versuchen sollte, ich hätte ja nichts mehr zu verlieren. Ich war eigentlich davon überzeugt, dass das nichts Längeres werden würde. Umso überraschter war ich, als ich feststellte, wie gut die Beziehung lief. Die ersten drei Jahre waren wie ein Traum, er hat mich verwöhnt, trug mich auf Händen und hat mir jeden Wunsch von den Augen abgelesen. Lange dachte ich wirklich, dass ich den Richtigen gefunden hätte. Auch seine Macken (Sturheit, Rechthaberei, Computersucht, Käsefüße... :D) haben mir nichts ausgemacht. Ich meine, niemand ist perfekt und Macken habe ich selbst zu genüge.
Wenn wir uns streiten, geht es immer sehr hitzig zu, da wir beide sehr stur sind. Vor drei Jahren ist es dann das erste Mal passiert: In einem Streit hat er mir eine deftige Ohrfeige verpasst, weil ich ein Kissen nach ihm geworfen habe. Daraufhin bin ich auf ihn losgegangen und wir haben uns richtig heftig verprügelt. Ich war völlig desillusioniert. Das perfekte Bild, das ich von ihm hatte, bekam die ersten Risse. Er hat mir versprochen, dass das nicht mehr passieren würde. Eine andere schlechte Eigenschaft von ihm ist, dass er andere Menschen nicht ernst nimmt und ihnen gerne das Gefühl gibt, weniger intelligent zu sein als er. Immer wieder hat er auf meinem Studiengang und meinen mittelprächtigen Noten herumgehackt. An einem Abend hab ich dann angefangen zu weinen und ihm in meiner Hysterie mein Frischkäsebrot an den Kopf geschmissen. Obwohl es ihn nicht getroffen hat, war er sehr sauer. Er hat mich zwar nicht geschlagen, aber ziemlich unsanft am Oberarm gepackt, sodass man danach mindestens zwei Wochen die 5 blauen Fingerabdrücke sehen konnte. Als wir danach darüber geredet haben, hab ich mich für mein Benehmen entschuldigt, zu meinem Schock war er allerdings der Meinung, dass ich selber schuld gewesen sei. Ich habe daraufhin angefangen, diese Beziehung in Frage zu stellen.
Dazu kam, dass er als Elektrotechnik Student sehr viel Zeit vor dem Computer oder im Labor verbracht hat und sich wenig um mich gekümmert hat. Aber wenn wir Zeit zusammen hatten, dann war es immer schön und er hat mich in der Öffentlichkeit immer gut behandelt. Meine Eltern halten sehr viel auf ihn. Vor einem Jahr ist er das letzte Mal handgreiflich geworden. Spaß und Ernst liegen bei ihm immer sehr dicht beieinander. Er hat eine Wette mit einem Kumpel gewonnen, bei der es um ein alkoholfreies Bier ging. Der Kumpel wollte es aber nicht rausrücken, also haben sie angefangen sich zu rangeln. Irgendwann hat mein Freund allerdings angefangen ernst zu machen und ich hab gesagt, dass er damit aufhören soll. Daraufhin hat er mich gepackt und regelrecht aus dem Raum geschmissen. Meine Freundin hat ihn dann rausgeschmissen. Ich hätte mich damals trennen sollen, aber ich sah immer nur, dass er auch viele gute Eigenschaften hat.
In wichtige Entscheidungen hat er mich auch nie mit eingebunden, weil er immer danach schaut, was für ihn das Beste ist. So ging er letztes Jahr nach München, um dort ein Praktikum zu machen und hat jetzt im Anschluss sich dazu entschieden auch seine Diplomarbeit dort zu schreiben. Danach sucht er einen Job, wozu er sich drei Locations ausgewählt hat: München, Freiburg oder Reutlingen. Alles sehr weit weg von mir. Ich studiere in Heidelberg. Bei nicht einer der Entscheidungen hat er mich gefragt, was ich davon halte. Wir sehen uns nur alle paar Wochen mal. Seit drei Jahren spielen wir zusammen in einer Band und er kommt zu den Auftritten her. Wenn wir uns sehen, ist es komisch. Er gibt sich dann zwar echt Mühe, die wenigen Stunden, die wir nach Familienbesuchen und Auftritt miteinander noch haben schön zu gestalten. Aber ich kann mich nicht so richtig auf ihn einlassen. Ich bin ihm so zusagen entwachsen, und er merkt, dass ich ihn nicht brauche.
Seit einem Monat läuft etwas mit meinem besten Kumpel. Ich war seit wir uns kennen (4 Jahre) immer mal wieder in ihn verknallt, hab es aber so gut es ging unterdrückt. Es ist nichts Gravierendes passiert. Wir haben uns ein paar Mal geküsst, nicht mal sehr innig. Ich empfinde zwar was für ihn, glaube aber, dass es mehr damit zu tun hat, wie er mich behandelt und dass er immer für mich da war. Er kennt als einziger Mensch die genauen Einzelheiten meiner Beziehung. Wir wissen beide, dass es unfair wäre, wenn wir etwas miteinander anfangen würden. Deshalb kommt es zu keinem engeren körperlichen Kontakt. Er gibt mir einfach das Gefühl, gut zu sein, so wie ich bin.
Immer wieder habe ich versucht mit meinem Partner über meine Ängste und die schlechten Seiten unserer Beziehung zu reden, allerdings sieht er die Probleme nicht so wie ich und ist der Meinung, dass ich übertreibe. Ich spüre, dass ich meine Beziehung beenden müsste, weil ich die letzten 9 Monate sehr unglücklich bin, aber ich habe einfach Angst vor der Reaktion meines Freundes, seiner Eltern, meiner Eltern und was aus der Band werden soll. Irgendwie hoff ich einfach, dass die Beziehung wieder so wird wie vor drei Jahren, obwohl ich eigentlich weiß, dass das nicht passieren wird, oder dass er eine andere trifft. Ich habe riesige Angst vor der Zukunft und davor, falsche Entscheidungen zu treffen oder egoistisch zu handeln, ohne vorher alles versucht zu haben. Ich habe den inneren Zwang, ihm wenigstens die Chance geben zu müssen, alles wieder gut zu machen. Die Trennungsgedanken haben nichts mit dem zu tun, was mit meinem Kumpel läuft. Vielmehr ist es eine Konsequenz, die ich ziehe, nachdem ich zu dem Entschluss gekommen bin, dass ich mir nicht vorstellen kann, mein ganzes Leben an der Seite meines Freundes zu verbringen.