Hallo liebes Forum,
ich möchte mir einfach bloß mein Problem von der Seele schreiben. Ob man mir noch helfen kann, weiß ich gar nicht.
Meine Eltern sind sehr leistungsorientiert. Gefühle zählen wenig. Nur der Erfolg ist wichtig. Es bestand zwischen mir und meinen Eltern eine große emotionale Distanz. Ich kannte es nicht anders. In den Arm nahm mich meine Mutter nie. Erst recht nicht mein Vater. Sie sahen mich nie als Menschen, immer mehr als Werkzeug. Wie ich war und was ich selbst wollte, hat nie interessiert. Wichtig war, dass ich tat, wie mir geheißen. Als Druckmittel setzten sie Schuldzuweisungen ein.
Mein Vater ist Chefarzt im örtlichen Krankenhaus und meine Mutter Direktorin des Gymnasiums. Auf den Wunsch meiner Eltern hin studierte ich BWL und schloss das Studium auch ganz gut ab. Sie verlangten von mir, dass ich im Betrieb meines Onkels arbeite (großer Konzern in Bereich der Wirtschaftsförderung), um ggf. in die Führungsetage aufzusteigen. Dort arbeite ich nun schon seit 5 Jahren und finde es eigentlich gar nicht so schlecht dort, obwohl es nicht mein Traumjob ist. Eigentlich hätte ich viel lieber etwas mit Informatik gemacht, aber naja, es ist nun mal so gekommen. Ich nahm mein Schicksal als gegeben hin.
Vor ca. 1,5 Jahren lernte ich eine junge Frau kennen, die neu im Betrieb anfing. Sie war sehr attraktiv, hatte eine warmherzige Ausstrahlung und ging mit vielen Leuten sehr offen um. Mit ihrem Charme machte sie sich viele Freunde im Betrieb. Ich fragte sie eines Tages, ob sie nicht einen Kaffee mit mir trinken wollte. Sie wollte. Es war ein sehr schöner Abend und wir trafen uns im folgenden noch öfter. Ich spürte, welche Anziehungskraft sie auf mich besaß, fühlte mich von ihr akzeptiert und genoss die Wärme, die von ihr ausging. Wir entwickelten eine eigene Art und zu unterhalten. Mehr auf die witzige Art und Weise mit kleinen Neckereien, von denen jeder von uns wusste, wie sie gemeint waren. Nichts davon war persönlich zu nehmen. Wir fanden so Zugang zum Herzen des jeweils anderen. Eines Abends küsste sie mich zum Abschied so leidenschaftlich und liebevoll, dass ich mich verliebte. Sie hatte mich geküsst, um mir zu zeigen, dass sie fühlte wie ich.
Unsere Beziehung wurde inniger. Wir hatten wundervollen Sex, so schön, wie ich ihn noch nie erlebt hatte. Sie war so zärtlich und liebevoll, dass sie mich mit ihrer Art total in den Bann zog. Diese Frau sollte einmal meine Frau werden. Da war ich mir sicher. Sie hatte es geschafft, mein fast versteinertes Herz vollständig zu erweichen. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl wirklich zu Leben. Ihr gegenüber war ich offen. Sie ließ mich ich sein.
Meine Eltern merkten seltsamerweise (sie haben nie was bemerkt), dass sich bei mir was verändert hatte und wollten wissen, was los ist. Ich erzählte, dass ich mich mit einer Frau treffe. Sie wollten wissen, wer es ist und schließlich sagte ich es ihnen. Mein Vater war mit meiner Wahl ganz und gar nicht zufrieden. Schließlich seien ihre Eltern nur einfache Handwerker (Installateur und Krankenschwester). Dieser Background lässt sich nicht mit den leistungsorietierten Zielen meiner Eltern vereinbaren. Ich sollte doch eine Akademikerin heiraten.
Bis jetzt hatten meine Eltern nur meinen beruflichen Weg bestimmt, doch jetzt sollte es auch auf mein Privatleben überschlagen? Darüber war ich sehr erstaunt und verletzt. Mein Vater lies nicht mit sich reden. Er drohte mir, mich als seinen Sohn abzuerkennen, wenn ich diese Frau nicht vergessen würde.
Zuerst war mir das egal und ich traf mich trotzdem weiter mit ihr. Nun hatte ich einen Grund, mich meinen Eltern zu widersetzen. Für diese Frau wollte ich durchs Feuer gehen, um sie kämpfen und sie niemals verlassen. Sie war mir so wichtig, dass mich meine Eltern mal konnten.
Ich merkte jedoch, wie ich mich nach und nach veränderte. Die Neckereien kamen nicht mehr so gut an. Selten war ich gut drauf und schaute ihr in die Augen. Oft saß ich völlig abwesend rum, wenn wir uns sahen. Sie fragte mich, was los sei und ich erzählte ihr von den Aussagen meines Vaters. Sie war zwar entsetzt, verstand es aber nicht. Ihre Eltern hätten so etwas nie gesagt und ich glaube, ihr war die Bedeutung dieser Aussage für mich nicht ganz bewusst. Für sie war es so, dass ich auf jeden Fall bei ihr bleiben, um sie kämpfe und nicht auf meine Eltern höre. Ich jedoch nahm mir die Worte meines Vaters sehr zu Herzen und verinnerlichte sie so stark, dass ich mich fast vollständig von ihr entfernte. Es entstand zwischen uns genau die gleiche emotionale Distanz, wie ich sie von meinen Eltern her kenne. In meinen Augen völlig normal, weil ich nichts anderes kannte, aber in ihren unverständlich. Es passierte ganz automatisch.
Sie wurde traurig und fing an, sich Druck aufzuerlegen, um mich glücklich zu machen. Tat alles, damit es mir gut ging. Und was tat ich? Ich kapselte mich immer mehr von ihr ab, mied ihre Nähe (körperlich wie auch emotional) und wollte sie sogar fast verlassen.
Immer und immer wieder fragte ich mich, wieso mein Vater so etwas sagen musste. Meine Mutter widersprach ihm nie, ließ mich damit aber gefühlsmässig fallen. Ich fühlte mich alleine und völlig verlassen von allen, die mir jemals etwas bedeutet haben (ja, auch meine Eltern). Unbewusst zog ich mich immer weiter in mich zurück.
Bei meiner Freundin meldete ich mich lange nicht. Rief sie an, wimmelte ich sie ab, weil ich meine Ruhe brauche. Ich wollte niemanden mehr sehen. Morgens ging ich zur Arbeit. Abends ging ich Heim, um fern zusehen. Mehr tat ich nicht. Mir war alles so sch* egal geworden.
Erst jetzt, wo ich diesen Text schreibe, fange ich an, mir über meinen Kummer klar zu werden. Es tut mir alles so weh und ich weiß selbst nicht mehr weiter. Meine Freundin ist verletzt und ich bin schuld. Gleichzeitig versuche ich, das wieder gut zu machen, finde aber kein Mittel, um das hinzukriegen. Ich fühle einen sehr tiefen Schmerz über alles, was passiert ist und bin im Moment ziemlich alleine damit, weil ich glaube, dass mir dabei keiner helfen kann. Das schaffe nur ich alleine. Deshalb entstand dieser Text.
Danke fürs Zuhören ...