Ich bin Ende 40, habe 2 fast erwachsene Kinder und bin verheiratet mit einem behinderten Mann (sitzt im Rollstuhl). Ich bin seit 20 Jahren verheiratet, also ich habe ihn geheiratet da war er schon stark gehbehindert und daher Frührentner. Vor ca. 10 Jahren wurde ihm das andere Bein abgenommen und er sitzt seitdem im Rollstuhl. Vorher war er trotz seiner Behinderung ein so liebenswerter und positiver Mensch, sonst hätte ich mich auch nie in ihn verliebt. Aber seit er im Rollstuhl sitzt hat er sich nur noch zurückgezogen - von mir.
Er macht viel ehrenamtlich und verbringt seine Tage entweder an seinem Computer, fährt mit dem Auto zu Terminen oder er liegt im Bett. Natürlich ist er körperlich nicht so belastbar durch seine Behinderung. Aber seine ganze Freizeit und seine "guten Tage" verbringt er, indem er anderen hilft. Für mich und die Kinder bleibt schon lange nicht mehr übrig. Also habe ich mich total auf die Kinder fixiert um zu überleben. Jetzt gehen die Kinder langsam aber sicher ihre eigenen Wege, beide haben einen festen Freund/feste Freundin und ich bin natürlich nicht mehr so wichtig für sie. Verstehe ich ja auch vom Kopf her - allerdings nicht vom Bauchgefühl her.
Jetzt ist mir erst so richtig aufgefallen, wie einsam man zu zweit sein kann. Vor 3 Monaten habe ich daher Panikattacken und starke Depressionen bekommen und nehme auch Antidepressiva. So komme ich einigermaßen über die Runden. Vor 4 Jahren hatte ich wegen der Probleme eine Gesprächstherapie gemacht - eigentlich bräuchte er auch eine. Ich habe panische Angst wenn meine Kinder in 2 Jahren ganz weg sein werden. Wenn mein Mann und ich z.B. mal zusammen eingeladen sind, ist er spätestens nach 20 Minuten verschwunden und lässt mich für den Rest der Feier alleine, nur Essen holen darf ich ihm dann. Er "muss" dann angeblich immer Fotos machen mit der Digitalkamera weil der Gastgeber ihm den "Auftrag" gegeben hat. Auf der Schulabschlussfeier meines Sohnes saß ich z.B. stundenlang alleine mit anderen Leuten am Tisch und auf einer Silberhochzeit stundenlang alleine neben einer völlig fremden älteren Frau. Ich komme mir abgestellt vor wie ein Möbelstück. Ich hatte ihn schon vorher gebeten, dass er mich nicht völlig alleine soll, er ließ sich auf keine Diskussion ein und hinterher habe ich ihm das natürlich vorgehalten. Dann wird er jedesmal nur wütend und bestraft mich mit Schweigen. Er geht in keinster Weise auf mich ein, kommt mir überhaupt nicht entgegen oder tut wenigstens so als versteht er mich. Wer uns nicht kennt müsste meinen, wir gehören nicht zusammen und sind gar kein Ehepaar. Mein Mann fährt weg und er sagt nicht tschüß, er sagt nicht wohin er fährt und wie lange er wegbleibt. Wenn ich das gleiche mal mache nimmt er mir das übel und redet manchmal tagelang nicht mit mir. Er lebt eigentlich wie ein Single, will aber versorgt werden und ist agressiv wenn ich dann in so einer Stimmung keinen Sex will. In den 10 Jahren habe ich zig Gespräche mit ihm führen wollen oder ihm Briefe geschrieben wenn er gar nicht mehr ansprechbar war. Keine Reaktion von ihm, außer, ich würde ihm immer nur Vorwürfe machen und darauf zu antworten mache für ihn keinen Sinn. Mehrmals im Jahr drohte er mir dann, "er ziehe aus" bzw. er "suche schon nach einer Wohnung für sich." Da ich jahrelang keine Freundin hatte (meine Eltern und meine Freundin wohnen 200 km entfernt) hatte ich immer schreckliche Angst vor dem Alleinsein und wollte mich immer wieder mit ihm versöhnen.
Jetzt habe ich hier eine Freundin gefunden, gehe in eine Selbsthilfegruppe und habe langsam den Mut gefunden, auf Leute zuzugehen und etwas zu unternehmen. Und ich merke: die Leute mögen mich, die lachen mit mir und finden mich sympathisch. Ich kann es kaum glauben, ich habe immer noch das Gefühl in mir, ich bin nicht liebenswert. Dass ich jetzt mehr rausgehe passt ihm natürlich auch nicht. Aber mit mir etwas unternehmen, mal ins Kino oder Essen gehen will er auch nicht, keine Zeit, keine Lust, keine Ahnung. Gestern habe ich noch einmal weinend das Gespräch mit ihm gesucht und gefragt, was denn mit uns in den letzten 10 Jahren schief gelaufen ist. Er schaute nur auf den PC-Bildschirm und sagte, er müsse gleich weg. Er meint, ich wäre Schuld und es wäre auch jetzt eh alles egal. Und weg war er. Ich habe so geweint und musste 2 Beruhigungstabletten nehmen und dann habe ich meine Freundin angerufen und die hat mich wieder etwas aufgebaut. Sie ist Single und irgendwie lebt sie ja auch. Nur wenn ich so sehe wie meine Tochter frisch verliebt ist und sie einen so tollen und fürsorglichen Freund gefunden hat, fange ich schon wieder an zu heulen. Ich hatte schon mehrfach daran gedacht ihn zu verlassen, habe aber Angst, weil ich finanziell von ihm abhängig bin, mit Ende 40 finde ich eh keine vernünftige Arbeit mehr hier auf dem Land von der ich auch leben kann. Ja, und ich habe Probleme einen behinderten Mann zu verlassen, der alleine nicht leben könnte. Er müsste versorgt werden, privat oder Pflegedienst. Ich kann das irgendwie nicht. Aber so vergeht mir aller Lebensmut. Ich habe das Gefühl mit Ende 40 ist mein Leben praktisch vorbei ehe ich überhaupt etwas erlebt habe.
Steckt vielleicht jemand in einer ähnlichen Situation wie ich und kann mir von sich erzählen?