Freitag, 24. Februar 2006
Wie Singles auf Partys überleben
Allein unter Paaren
Wie ein Damokles-Schwert hängt die Frage schon in der Luft, bevor sie gestellt wird: "Und, hast du wieder jemanden gefunden?" Gerade in Gesellschaft von Paaren fühlen sich deshalb viele Singles unwohl.
Familienfeiern, Hochzeiten oder Abendessen, zu denen viele anscheinend vor Glück strotzende Paare eingeladen sind, werden für sie zum Spießrutenlauf. Dabei hadern viele Singles gar nicht mit ihrem Dasein - so lange, bis sie darauf angesprochen werden.
Vor allem bei Familienfesten fragen sich offenbar besorgte Verwandte oft lautstark, wann denn der Enkel oder die Nichte endlich unter die Haube kommt. "Die Antwort auf solche Fragen sollte der Gesprächssituation entsprechend ausfallen", rät Günter Koch von der Berliner Akademie für Psychotherapie. Gerade Großeltern hätten häufig ein Interesse daran, dass ihre Enkel in traditionellen Beziehungsformen aufgehoben sind. Die Reaktion sollte davon abhängen, welchen Status der Frager hat und ob sein Urteil sehr wichtig ist.
"Auf die lästige Fragerei nach der eigenen Zukunft kann aber einfach eine Standardantwort gegeben werden", empfiehlt Christa Roth-Sackenheim, Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Psychiater in Neuss. "Ich bin allein ganz glücklich", kann zum Beispiel weitere Fragen abblocken. Die Problematik weiter zu diskutieren oder zu erklären, dass ein Leben allein auch Vorteile hat, helfe jedoch meist wenig, sagt Roth-Sackenheim. Stattdessen sei Diplomatie angesagt.
Paare verstehen die Argumentation für ein Leben allein häufig als Angriff und können sie nicht nachvollziehen. "Benutzen Sie eine Ausflucht oder Notlüge, um Ihr Gesicht zu wahren, und gehen Sie, wenn Sie die Situation nicht mehr aushalten", rät Roth-Sackenheim. Ein vorgetäuschter verpasster Anruf auf dem Handy oder eine vermeintlich vergessene Verabredung könnten aus der Situation heraushelfen.
Ist zu erwarten, dass Freunde oder Verwandte Verkupplungsversuche starten, sollten die Betroffenen abwägen und die Verabredung gegebenenfalls von vornherein absagen. "Solche Situationen sind beschämend und würdelos", sagt Roth-Sackenheim. Auch wenn sich Singles gerade nicht selbstbewusst genug fühlen, um sich unter Paaren zu behaupten, sollten sie überlegen, den Abend anders zu verbringen.
Aber auch der umgekehrte Fall ist nicht selten: Manche Gastgeber überlegen, ob sie einen Single überhaupt in die Runde einladen wollen, sagt Eva Jaeggi, emeritierte Professorin für Klinische Psychologie an der Technischen Universität Berlin.
Nach einer Trennung könne aber eine Einladung auch ein gutes Feld sein, sich als Alleinstehender in die Welt hinauszutrauen und dort zu bewähren, sagt Jaeggi. "Singles sollten nach einer Trennung zum Beispiel auch versuchen, selber Freunde einzuladen, um sich mit der neuen Situation auseinander zu setzen." Freunde und Bekannte wechseln mit Veränderungen im Leben, erklärt Günter Koch. "Mit wem ich mich treffe und verstehe, hängt sehr von der Lebenssituation ab." Eine gesellige Runde hilft vielen, sich wieder neu zu orientieren.
Wer sich nach einer erst kurze Zeit zurück liegenden Trennung eher danach fühlt, einer Konfrontation mit glücklichen Paaren aus dem Weg zu gehen, sollte diesem Gefühl aber ruhig nachgeben: "Wenn ich danach lechze, wieder einen Partner zu finden, braucht es nur einen kleinen Anstoß, und ich kippe aus den Latschen", warnt Koch. "Das ist insbesondere bei Menschen der Fall, die ein schlechtes Selbstbewusstsein haben und sich nur über den Partner definiert haben", sagt Jaeggi.
An typischen "Pärchen-Terminen" wie Weihnachten sollten Singles deswegen auch einmal ihre Fantasie walten lassen, rät Eva Jaeggi. "Weihnachten muss nicht immer ein trautes Familienfest sein." "Gegenveranstaltungen", die mit Traditionen brechen, wie Reisen oder Partys, werden häufig als hilfreich erlebt, sagt Roth-Sackenheim. Problematisch seien auch Silvester, wenn sich alle Paare um Mitternacht küssen oder Hochzeiten, auf denen getanzt wird, sagt Jaeggi. Über solche Einladungen sollten sich Singles besser vorher Gedanken machen, damit sie nicht von der Situation überrascht werden.
Denn den meisten Singles gehe es in ihrer Situation eigentlich gut, sagt Roth-Sackenheim. Dennoch werde das Single-Dasein immer noch selten als Normalität angesehen. Gerade Frauen stehen unter dem Druck, langfristig einen Partner zu finden, sagt Koch. "Männern gesteht die Gesellschaft mehr Selbstständigkeit ein." Viele berufstätige Singles im Alter zwischen 30 und 40 haben aber überhaupt nicht das Gefühl, sie müssten mit einem Partner auftauchen, erklärt Jaeggi. "Die bieten sich auch meist nicht als Opfer für bohrende Nachfragen an."
http://www.n-tv.de/637860.html