Nicht melden
Ich habe nie geantwortet in den letzten Monaten. Kein einziges Mal. Und trotzdem kommt er immer wieder. Ich bin gespannt, wann er es kapiert. Oder die Lust verliert. Oder, kann ja auch passierern, durchdreht und Kontakt um jeden Preis will. Er stand schon ca. 3x in den letzten sieben Monaten vor meiner Tür. Er muss es gewesen sein, denn sonst erwarte ich niemanden um Mitternacht... Wahrscheinlich halb angetrunken, mit etwas aus Alkohol geflitertem Mut, hat er bei mir geklingelt. Ich machte nie auf.
Das Buch habe ich auch gelesen. Aber so dumm das klingt, ich bin eines dieser "bösen Mädchen".
Man kriegt Männer trotzdem nicht. Denn vor den Geliebten, die alles mit sich machen lassen, haben sie keinen Respekt. Und vor den bösen Mädchen, die sie behandeln wie sie uns, haben sie Angst. Auf so eine starke Frau würden sich Männer, die ihre ganze Stärke aus einer geheimen Affäre ziehen, nie einlassen. In einer Affäre geht es um MACHT. Und diese Macht geben die Geliebten ihnen. Sie können über unsere Zeit verfügen, über unsere Tagesplanung, über unseren Körper, über unsere Zukunft. Ist das nicht herrlich für einen kleinen Pantoffelhelden, der zuhause eine Maus umgeben von Elefanten ist?
Ich habe alles probiert. Ich war geduldig, ich war fordernd. Ich war einsichtig, ich war lieb und nett. Ich war aufbrausend und wütend. Ich meldete mich wochenlang nicht. Ich ignorierte ihn. Ich suchte nach einem Weg für uns. Das ist alles völlig egal. Wenn sie uns nicht so sehr lieben, wie wir sie, werden wir niemals gewinnen. Wie gesagt, mit Spielchen kriegt man keinen Mann. Ja, vielleicht gelingt das manchen Frauen. Aber wer will schon eine Maus, die nur in die Falle ging, weil man das dickste Stück Speck benutzt hat?
Wollen wir nicht einen Mann, der zu uns kommt, weil er überzeugt davon ist, dass wir die Richtige sind? (So wie wir denken, dass SIE die Richtigen für uns sind?)
Ich fragte mich immer, was gewesen wäre, wenn er nun bei mir wäre. Sicher dürfte ich mir anhören, dass er ja meinetwegen alles aufgegeben hat. Das Haus, die Kinder usw. Ja, ich hätte das ausgehalten. Aber das müssen wir nicht. Weil sie sich ebenso bewusst auf uns einließen, wie wir uns zu ihren Marionetten machten.
Es tut weh. Zu erkennen, dass man nur eine Option war. Ein Spielzeug, eine tolle Märklin-Eisenbahn! Aber nachdem sie ein bisschen mit uns gespielt haben, wird ihnen eben bewusst, dass die unverwüstbaren und robusten und etwas abgegriffen Holzklötzchen zuhause beständiger sind und viel besser in der Hand liegen - und nicht so viel Vorsicht im Umgang mit ihnen erfordern.
Na ja, jetzt fühle ich mich abgegriffen. Der Lack ist ab. Aber auch von ihm. Und das ist gut so.